Gastkommentar: Sinnloses Wettrüsten

Softwarepatente schaden dem Wettbewerb und behindern Innovationen, findet Karsten Gerloff von der Free Software Foundation Europe.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 55 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Kasten Gerloff
  • Dr. Oliver Diedrich

Karsten Gerloff ist Präsident der Free Software Foundation Europe. Vor seiner Tätigkeit bei der FSFE hat er unter anderem für die euopäische Kommission die ökonomischen und sozialen Auswirkungen von freier Software erforscht.

Es ist mal wieder eine Runde vorbei im Gezerre um Softwarepatente. Die Wettbewerbshüter im US-Justizministerium haben dem so genannten Rockstar-Konsortium aus Apple, Microsoft, RIM, EMC, Ericsson und Sony erlaubt, rund 6.000 Patente aus der Konkursmasse des Elektronik-Konzerns Nortel zu kaufen. Gleichzeitig haben sie Googles Übernahme von Motorola Mobility abgenickt. So bekriegen sich die Elefanten der Industrie. Wer in der Nähe steht, läuft Gefahr, dabei zertrampelt zu werden.

Zwar haben alle Beteiligten einige Zugeständnisse gemacht, was die Bedingungen angeht, zu denen sich die großen Firmen untereinander ihre Patente lizenzieren. Aber kleine und mittelständische Unternehmen können dieses Spiel schlicht nicht mitspielen. So zeigen diese Transaktionen lebhaft, warum Patente auf Software schlecht für alle sind: Sie schaden dem Wettbewerb, verursachen unnötige Kosten, und bremsen Innovation aus.

Diese Ansicht vertreten Gegner von Software-Patenten wie die Free Software Foundation Europe seit langem. Inzwischen sehen das auch die Kartellbehörden manchmal so. Im April 2011 begründete das Bundeskartellamt seine Entscheidung zum Verkauf von Patenten der Firma Novell an Microsoft unter anderem damit, dass ein Erwerb von Patenten zu "erheblichen wettbewerbsschädlichen Effekten führen" kann, und verpflichtete die Käufer (unter anderem Microsoft und Apple) dazu, ihre Patente so zu lizenzieren, dass sie auch in Freier Software unter Copyleft genutzt werden können. Ihre Bedenken zum Nortel-Patentverkauf hat die FSFE dem US-Justizministerium im September in einer ausführlichen Stellungnahme mitgeteilt.

Solche Bedingungen haben die US-Behörden den Rockstar-Firmen nicht auferlegt. Stattdessen haben sie sich damit begnügt, Google gleichzeitig den Motorola-Kauf zu genehmigen. Offensichtlich sind sie der Ansicht, dass es reicht, Waffengleichheit zwischen den großen Firmen im Markt für Mobilgeräte herzustellen. Das ist ihnen vielleicht sogar gelungen. Der Patentkrieg wird jedenfalls munter weiter gehen. Alle Beteiligten werden eimerweise Geld für Anwälte ausgeben. Die Kosten tragen die Kunden und die Aktionäre.

Wirklich schlecht ist die Entscheidung aber für kleinere Softwarefirmen. Denn einige von Nortels Patenten decken vermutlich grundlegende Technologien ab, ohne die kaum ein Programm auskommt. Diese Patente sind nun in den Händen von Konzernen, die immer wieder durch extrem aggressives Verhalten auffallen.

Die Taschen einer kleinen Firma sind nicht tief genug, um sich auf Patentstreitigkeiten einzulassen. Selbst die Drohung mit einer Patentklage kann für das Unternehmen ruinös sein. So sind diese Firmen Erpressungsversuchen hilflos ausgeliefert.

Genau das nutzen die Großunternehmen aus. Microsoft drängt seit einiger Zeit Firmen, die Geräte mit Android herstellen und vertreiben, zu Lizenzabkommen. Welche Patente Microsoft da lizenziert, ist ebenso geheim wie die Verträge selbst. Alles deutet darauf hin, dass Microsoft darauf zielt, die Lizenzkosten für das ansonsten kostenlose Android auf 15 US-Dollar hoch zu treiben. Damit wird Android nicht nur ebenso teuer für die Hersteller wie eine Windows-Phone-Lizenz. Es ist auch egal, wofür sich der Hersteller entscheidet: Bei Microsoft klingelt die Kasse auf jeden Fall. Im Effekt erhebt die Firma eine Steuer auf Freie Software, zu deren Entwicklung sie nichts beigetragen hat. Mit einer baugleichen Kampagne zielt Microsoft schon länger auf den Linux-Kernel (siehe dazu auch den Artikel Das Geschäft mit der Angst).

So werden nun die Reibungsverluste im Markt noch größer werden. Software-Firmen werden jetzt mehr Geld ausgeben müssen, um sich gegen Patentklagen abzusichern, so gut es geht. Dieses Geld wird bei der Forschung und Produktentwicklung fehlen.

Der Markt kann hier offenbar keine Lösung liefern. Die großen Firmen werden sich kaum auf ein freiwilliges Abrüsten verständigen. Deshalb ist die Politik gefragt. Sie muss die Entwickler vom Joch der Softwarepatente befreien. Das Urheberrecht gibt Softwareentwicklern weitreichende Möglichkeiten, die Nutzung ihrer Werke zu kontrollieren. Patente – eigentlich dazu gedacht, Innovation zu fördern – stehen hier nur im Weg: Sie verursachen Kosten und bringen keinen Nutzen. Deshalb gehören Patente auf Software endlich abgeschafft.

Google als Nachzügler im großen Patent-Poker wäre besser damit bedient gewesen, ein Prozent der Motorola-Kaufsumme in Lobbyarbeit für die Abschaffung von Software-Patenten zu investieren. 125 Millionen Dollar sind selbst in Washington eine Menge Geld.

Gar nicht zu reden von all den Ideen und Produkten, die sich mit den insgesamt 17 Milliarden Dollar hätten entwickeln lassen, die nun für ein sinnloses Patent-Wettrüsten verbrannt werden. (odi) (odi)