Nadelöhr im Androiden

Wie schnell Apps in Mobilgeräten laufen, hängt nicht so sehr von Prozessoren und Netzen ab. Die Geschwindigkeit wird durch Flash-Speicher begrenzt, hat eine Studie herausgefunden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Tom Simonite

Wie schnell Apps in Mobilgeräten laufen, hängt nicht so sehr von Prozessoren und Netzen ab. Die Geschwindigkeit wird durch Flash-Speicher begrenzt, hat eine Studie herausgefunden.

Um im harten Wettbewerb auf dem Mobilmarkt zu punkten, setzen die Hersteller von Smartphones und Tablet-Rechnern auf immer schnellere Prozessoren. Auf Messen wie der Consumer Electronics Show in Las Vegas preisen sie die Komptabilität ihrer Geräte mit den immer höheren Datenraten der Netze an. Das ist zum Teil Augenwischerei, behaupten nun Ingenieure der NEC Labs. Die Performance der mobilen Kleincomputer werde in erster Linie durch die Geschwindigkeit begrenzt, mit denen diese Daten im Speicher auslesen und ablegen können. „Die Speichersysteme sind der Flaschenhals bei mobilen Geräten“, sagt Nitin Agrawal. „Wir verbringen viel Zeit damit, Apps zu nutzen, aber ein großer Teil dieser Zeit geht fürs Warten drauf – auf eine Webseite oder die Aktualisierung einer App-Ansicht.“

Agrawal und seine Kollegen Hyojun Kim und Christian Ungureanu haben in einer Testreihe untersucht, wie sich Flash-Speicherkarten acht verschiedener Hersteller auf die Geschwindigkeit von populären Apps für das Mobilbetriebssystem Android auswirken. Zu den getesteten Anwendungen gehörten Dienste wie Facebook, Google Maps und Angry Birds sowie der Web-Browser des Android-Systems. Die Ergebnisse haben die NEC-Forscher vergangene Woche auf der Konferenz Usenix File and Storage Technology (FAST '12) im kalifornischen San Jose vorgestellt.

Bei ihrer Studie setzten sie Smartphones vom Typ Nexus One ein, auf dem die Android-Version „Gingerbread“ installiert war. Dabei veränderten sie das Betriebssystem so, dass Apps nicht auf die internen Speicherchips zurückgreifen, sondern ihre Daten im Wesentlichen auf die Speicherkarten schreiben. Die werden im Normalbetrieb zwar nur benutzt, um Bilder und Musik zu speichern. Die Ergebnisse sollten sich aber auch auf die Geräte-eigenen Speicherchips verallgemeinern lassen, sagt Agrawal.

Nach einem Kaltstart kam die Gmail-App bei der leistungsfähigsten Speicherkarte dreimal schneller ins Laufen als bei der schwächsten. Die Twitter-App startete mit dem besten Speicher doppelt so schnell. Der Android-Browser wiederum konnte im Testlauf 50 Webseiten mit der besten Karte dreimal so schnell aufrufen wie mit der schwächsten.

Die Anwendungen wurden auch dann nicht viel schneller, als die NEC-Forscher mit Hilfe einer Kabelverbindung eine Datenübertragung aus dem Netz simulierten, die zehnmal schneller als derzeitige WLANs ist. „Wir hatten damit gerechnet, dass sich die Performance spürbar verbessert. Doch das geschah nicht“, erklärt Agrawal. Sein Fazit: Solange sich die Gerätehersteller nur auf Prozessoren und Netzgeschwindigkeiten konzentrierten, bringe das für den Nutzer wenig.

Ursache sei die Arbeitsweise von Speicherchips und -karten in Mobilgeräten, so Agrawal. Nach den offiziellen Produktspezifikationen sollen Speicher zwar Daten schneller lesen und schreiben können, als sie von den Prozessoren in Sendestationen verarbeitet und rausgeschickt werden. Die entsprechenden Performance-Tests untersuchten aber nur, wie eine geordnete Datenfolge geschrieben oder gelesen werde.

Weil die gängigen Apps Daten ungeordnet anfordern und ausgeben, würden die Benchmark-Werte in der Praxis nicht erreicht, sagt Agrawal. Viele der untersuchten Apps würden fürs Datenmanagement einen Code verwenden, der mit einem zufälligen Datenzugriff arbeite. „Der Zufallsschreibmodus funktioniert mit Speichern von Mobilgeräten um Größenordnungen schlechter“, und die Geräte verarbeiteten deshalb Daten langsamer als 3G-Mobilnetze, betont Agrawal.

Die NEC-Forscher beließen es aber nicht bei der Untersuchung des Status Quo. Sie probierten verschiedene Strategien aus, wie man trotz gemächlicher Speicher die Leistungsfähigkeit von Apps verbessern könnte. Mit einem anderen System für das Zwischenspeichern von Daten – das „Caching“ – lief etwa die Facebook-Anwendung viermal schneller als zu Beginn. App-Entwickler könnten über das Software-Design das Problem zumindest lindern, wenn auch nicht beseitigen, sagt Agrawal. Dafür wären Änderungen in Hardware und Betriebssystem nötig.

Wie sich iPhones in einem vergleichbaren Test verhalten würden, weiß Agrawal nicht. Das Betriebssystem iOS arbeite nur mit festinstallierten Speicherchips und verwalte Daten anders als das Android-System.

Nach der Präsentation der Ergebnisse vergangene Woche auf der FAST '12 forderte Eno Thereska von Microsoft Research, die Tests mit Nutzern zu wiederholen. Er bezweifelte, dass die von den NEC-Forschern gemessenen Verzögerungen von Nutzern überhaupt registriert würden. „Ich kann Webseiten ohnehin nicht beliebig schnell lesen“, sagte Theresko. Er sei selbst ziemlich zufrieden mit der Performance von Apps.

Agrawal weist allerdings daraufhin, dass man bei den Tests darauf geachtet habe, die typische Nutzung von Apps zu reproduzieren. Als Beispiel nennt er Google Maps – dort habe man die Zeit gestoppt, die nach dem Eintippen einer Zieladresse verging. Er ist überzeugt, dass Nutzer diese Unterschiede wahrnehmen könnten und von Speicher-bedingten Verzögerungen sehr wohl frustriert seien. „Warum soll irgendjemand 20 Sekunden warten, wenn das Ergebnis im Prinzip auch in fünf Sekunden da sein könnte?“, fragt Agrawal.


Das Konferenz-Paper zur Testreihe:
Kim, H. et al.: "Revisiting Storage for Smartphones" , Proceedings of the 10th Conference on File and Storage Technologies (FAST '12), Februar 2012. (nbo)