SCO vs. Linux: Die ominösen Code-Löscher

Nachdem SCO keine direkten Beweise für den angeblichen illegalen Code-Transfer nach Linux gefunden hat, wirft SCO nun IBM vor, Beweismittel vernichtet zu haben.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Auseinandersetzung zwischen der SCO Group und IBM um möglicherweise illegal nach Linux kopierten Source-Code von Unix nimmt eine bizarre Wendung. Nun wird IBM direkt der Vernichtung von Beweismitteln beschuldigt: Weil SCO keinen direkten Beweis für den Code-Transfer gefunden hat, muss IBM alle direkten Beweise gelöscht haben, lautet der Tenor der neuen Anklage.

In ihrem abschließenden Bericht zur Voruntersuchung hatte Untersuchungsrichterin Brooke C. Wells festgestellt, dass die SCO Group keinen stichhaltigen Beweis für den Code-Diebstahl vorgelegt habe. In der Reaktion auf diesen Bericht monierten SCO-Anwälte das Urteil der Richterin als übertrieben und verworren. So habe die Richterin die Frage des Vertragsbruches durch IBM mit der Frage der Copyright-Verletzung durch IBM verwechselt.

Mit neuen Anschuldigungen legt nun SCO-Rechtsanwalt Brent Hatch nach. Gegenüber der Zeitschrift Forbes behauptete Hatch, dass IBM alle Beweise gelöscht habe, bevor es den von SCO gewünschten Source-Code der Unix-Versionen Dynix und AIX übermittelt habe. Dabei bezieht sich Hatch auf eine im Ermittlungsverfahren aufgetauchte Aussage eines IBM-Programmierers. Dieser habe erklärt, dass IBM unmittelbar nach Bekanntwerden der Anklage von SCO seine Dynix- und AIX-Programmierer angewiesen habe, einige Versionsstände dieser Software zu löschen.

Die von Hatch angeführte Code-Löschung war schon vor einem Jahr ein Thema im Verfahren, als IBM von SCO beschuldigt wurde, nicht alle Dynix- und AIX-Versionen zur Analyse vorgelegt zu haben. Der nun von Hatch direkt vorgetragene Vorwurf der Beweismittelvernichtung ist neu und als Reaktion auf das Urteil der Untersuchungsrichterin zu verstehen. Gegenüber Forbes betonte Hatch, dass die seit längerem bekannte Löschung erst jetzt relevant werde, weil sie erklären würde, warum SCO bisher keinen Code-Beweis gefunden habe.

Zum neuen Vorwurf verweigerte IBM gegenüber Forbes jede Stellungnahme. Da der Vorwurf der Beweismittelvernichtung ziemlich gravierend ist und eine Revision der gesamten Voruntersuchung nach sich ziehen würde, muss SCO nun belastbare Indizien für die Löschungsaktion vorlegen. Die bereits bekannte Aussage eines einzelnen Programmierers dürfte nach Aussagen US-amerikanischer Prozessbeobachter nicht ausreichen, den schweren Vorwurf zu belegen.

Zu den Entwicklungen in dem Streit, den SCO mit IBM, Novell und der Open-Source-Gemeinde um SCO-Rechte an Unix und angeblich unrechtmäßig in Linux übernommenen Code angezettelt hat, siehe den Online-Artikel in c't Hintergrund (mit chronologischer Linkliste zu Beiträgen auf heise online, aus Technology Review und der c't):

(Detlef Borchers) / (jk)