Live vom Verhandlungstisch

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Gerald Himmelein

Live vom Verhandlungstisch

Die Unterhaltungsindustriellen wollen nicht mehr mit ansehen, wie ihre Filme und Serien unkontrolliert und unbezahlt im Netz kursieren. Die Netizens fordern ungehinderten Zugang zu genau diesen Filmen und Serien. Ein letztes Mal wollen es die beiden Seiten miteinander versuchen.

Clever argumentieren die Netznutzer: Eure Abschreckungsmethoden bringen nichts. Stellt lieber legale Download-Portale auf die Beine. Wir zahlen ja schon heute fleißig für unsere Unterhaltung: an Usenet-Zugangsanbieter, Share-hoster, Tauschforenbetreiber. All das Geld könnte euch gehören.

Das großzügige Angebot wird von der anderen Seite als nackte Erpressung entgegengenommen. Wo kommen wir hin, wenn wir uns von Gewohnheitsdieben diktieren lassen, wie wir unsere Geschäfte führen? Online-Verkäufe reichen nie und nimmer, um unser hochwertiges Angebot zu finanzieren.

Ihr habt es bisher doch gar nicht richtig versucht, kontert die Community. Denkt euch neue Geschäftsmodelle aus. Solange ihr mauert, zwingt euer Starrsinn uns weiterhin in die Illegalität.

Das kommt bei der Unterhaltungsindustrie nicht gut an. Ihr Naivlinge! Hinter eurem Entertainment stehen internationale Verträge, hochkomplexe Vernetzungen! Das können wir nicht alles Knall auf Fall umkrempeln!

Der Ausbruch lässt die Netzgemeinde kalt. Hey, ihr hattet fünf Jahre Zeit, um aus dem Untergang der Musiklabels zu lernen. Jetzt wo die es endlich richtig machen, haben Alben-Downloads die CD-Verkäufe locker abgehängt.

Big Content fallen fast die Augen aus dem Kopf. Von der Musikbranche sind heute nur noch abgenagte Knochen übrig! Die wollt ihr uns doch nicht im Ernst als Vorbild verkaufen?

Nun. Tja. Die Blicke der Turnschuhfraktion weichen aus, das Interesse lässt nach. In der heutigen Form überlebt ihr auf keinen Fall. Wenn ihr euch nicht anpasst, seid ihr die nächsten Dinosaurier. Tut uns voll leid und so.

Hochrot angelaufen erstickt die Unterhaltungsindustrie fast am eigenen Schlips. Seht ihr nicht, wie ihr euch ins eigene Fleisch schneidet? Wenn wir hopps gehen, gibts bald nichts mehr zu klauen. Keine Big Bang Theory, kein Game of Thrones!

Ein kurzes Zusammenzucken beim Gedanken an eine Welt ohne Sheldon. Ist zwar schade, aber bei uns liegt noch viel Ungesehenes auf der Platte. Das reicht noch ein Weilchen. Notfalls gucken wir halt alles noch mal.

Aufgebracht schütteln die Medienvertreter ihre Fäuste. Ihr werdet euch noch wundern! ACTA war erst der Anfang! Die Politik machen wir uns schon noch gefügig!

Die Saugerseite bleibt beunruhigend ruhig. Versuchts doch. So plump wie ihr das anstellt, müssen wir nur den Untergang des freien Internet an die Wand malen. Das will kein Politiker verantworten.

Das werden wir ja sehen! - Genau, werden wir. - Das könnt ihr nicht mit uns machen! - Content-Mafia. - Raubkopierer! - Schönen Tod noch.

Aus sicherem Abstand beobachtet von (ghi)