Music Non Stop

Als Kraftwerk in den 80ern sein sonores „Music Non Stop“ intonierte, waren die Zuhörer noch weit davon entfernt, in einem „Ozean aus Musik“ zu schwimmen. Ein Vierteljahrhundert später lösen Musik-Flatrates das Versprechen des unbegrenzten Musikgenusses ein.

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Von
  • Sven Hansen

MP3-Spieler waren schon eine feine Sache. Nie zuvor konnten Musikfreunde so viel Musik mit sich herumtragen – der Speicher war das Limit. Doch seit geraumer Zeit laufen die immer potenteren Smartphones dem klassischen MP3-Spieler den Rang ab: Musik hört man heutzutage auf dem Handy.

Wer das Telefon ganz traditionell mit einer Player-Software vom PC aus mit Musik befüllt, hat dabei wenig gewonnen: Für die meisten Menschen ist das Verwalten und Verschieben ihrer MP3-Sammlung auf das mobile Abspielgerät eher lästig.

Das ändert sich, sobald man sich die Netzwerkfähigkeiten moderner Smartphones zunutze macht und die Musik einfach streamt, statt sie direkt auf das Gerät zu übertragen. Wir haben acht Anbieter von Musik-Flatrates getestet, die ihren Kunden im Abo-Verfahren gegen ein monatliches Entgelt einen Zugriff auf Millionen Musiktitel gewähren, die sich über den PC, das Mobiltelefon oder andere Musiksysteme abrufen lassen.

Zwei von ihnen sind alte Hasen: Der aus Frankreich stammende Dienst Deezer wie auch Napster sind seit vielen Jahren im Streaming-Geschäft. Deezer hat sein Abo-Angebot erst kürzlich auf Deutschland erweitert. Napster steht vor großen Veränderungen: Der nur in den USA verfügbare Streaming-Veteran Rhapsody hat das Unternehmen aufgekauft und schon Ende März sollen alle Napster-Kunden auf eine neue Plattform wechseln. Die hier vorgestellten Napster-Apps und -Programme wird es daher nicht mehr lange geben.

Bei Rara muss man auf das Kleingedruckte achten. Nach drei Monaten wird das Streaming-Schnäppchen zum 10-Euro-Abo.

Sonys Music Unlimited – ehemals „powered by Qriocity“ – und der weltweit agierende Dienst Rara setzen auf der Plattform des britischen B2B-Anbieters Omnifone auf, unterscheiden sich jedoch durchaus im Leistungsumfang.

Auf den Namen Rdio hört der Streaming-Dienst der Skype-Gründer Niklas Zennström und Janus Friis, der seit neuestem auch in Deutschland verfügbar ist. MyJuke ist ein Kind aus deutschen Landen – der B2B-Anbieter 24-7 Entertainment ist eine Tochter der Media-Saturn-Holding.

Ebenfalls aus Deutschland stammt Simfy. Einst als Spotify-Abklatsch belächelt, konnte sich Simfy in den vergangenen Jahren eine stabile Nutzerbasis erarbeiten. Lange Zeit geschah dies fast ohne Konkurrenz: Sie blieb dem deutschen Markt wegen der zähen Verhandlungen mit der Verwertungsgesellschaft GEMA fern. Seit Dezember letzten Jahres liegt diese Einigung nun vor, mit Rara, Rdio und Deezer haben seither drei neue Dienste den Sprung nach Deutschland geschafft.

Damit sind fast alle relevanten Streaming-Anbieter hierzulande vertreten – bis auf einen. Spotify, 2008 in Schweden gestartet und quasi die Mutter der neuen Musik-Streaming-Dienste, steht eigenen Angaben zufolge kurz vor dem Deutschland-Start. Wir haben die deutschsprachige Version getestet, die in Österreich und in der Schweiz bereits verfügbar ist.

Grooveshark, ein Streaming-Dienst, der seinen Musikkatalog über die Jahre durch Uploads seiner User aufgefüllt hat, hat sich aus dem Deutschland-Geschäft zurückgezogen – angeblich wegen zu hoher Kosten durch die GEMA-Einigung. Da mit Spotify in Kürze acht andere Anbieter zur Auswahl stehen, ist der Verlust verschmerzbar.

Apple mischt beim Thema Musik-Streaming bisher nicht mit: Beim kürzlich gestarteten iTunes Match kann man zwar seine lokale Musikbibliothek mit dem Katalog des iTunes Store abgleichen – einen vollen Zugriff auf den gesamten Katalog bekommt man allerdings nicht. Für Apple-Fans verschmerzbar, denn fast alle Streaming-Anbieter haben eine App für iPhone und Co. parat.

Eigentlich bieten die acht getesteten Anbieter die lang diskutierte Kultur-Flatrate – eben nur für Musik. Der Katalogumfang umfasst zwischen 10 und 16 Millionen Titel. Das reicht in jedem Fall, um sich im Gesamtkatalog gehörig zu verlaufen, Unterschiede in den Katalogen sind schwer auszumachen. Und doch gibt es sie – so hat zum Beispiel Napster in den vergangenen Jahren einen stattlichen deutschsprachigen Hörspiel- und Hörbuchbereich aufgebaut, der auch nach der Umstellung auf die Rhapsody-Plattform verfügbar sein soll. Deezer hingegen erlaubt wegen seiner Herkunft seit jeher einen tieferen Einblick in die französische Musikszene mit dem Nouvelle Chanson oder französischem Elektropop. Nicht schön: Deezer und Rdio zeigen in ihren Webportalen auch Titel an, deren Rechte sie in Deutschland nicht innehaben. So hat man das gewünschte Album scheinbar gefunden, der Abspielversuch wird dann aber mit einer Fehlermeldung quittiert.

Bei Rdio und Sony Music Unlimited findet man auch den von iTunes bekannten Matching-Service: Über eine zusätzliche Desktop-Software kann man die Sammlung auf dem PC mit dem Katalog der Anbieter abgleichen und sich die dort vorhandenen Titel dann auch auf dem Mobilgerät anhören. Eigentlich ist das nur eine Auswahlhilfe, denn man hat so die eigene Musiksammlung gegenüber den Millionen Katalogtiteln abgegrenzt.

Deezer bietet als einziger Dienst auch eine Upload-Möglichkeit für eigene MP3-Dateien, die danach ebenfalls im Streaming-Verfahren verfügbar sind. Eine Kombination aus beiden Verfahren – Abgleich und gegebenenfalls Upload bei fehlenden Dateien – findet man bei keinem der Musikdienste.

Der monatliche Preis für die mobile Musik-Flatrate liegt bei fast allen Anbietern bei 10 Euro. Nur bei Napster ist es teurer: Der Vollzugriff kostet hier 13 Euro monatlich, für 8 Euro bekommt man eine abgespeckte Version, bei der sich der Dienst nur vom PC oder ausgewählten Heimsystemen aus nutzen lässt – dazu später mehr. Viele Anbieter haben einen günstigen Einstiegstarif (5 Euro), bei dem man die Musik dann ausschließlich über einen PC hören kann – entweder per Web-Browser oder über eine Desktop-Software.

Die Anbieter der Musik-Flatrates arbeiten verstärkt mit Facebook zusammen. Bei Spotify und Deezer ist ein Facebook-Account sogar zwingend.

Simfy und Spotify lassen sich auch gratis nutzen – allerdings mit Werbeunterbrechungen und einer Begrenzung der maximal abspielbaren Titel. Auch die Premium-Angebote kann man bei fast allen Diensten für einen begrenzten Zeitraum kostenlos nutzen. Zwischen einer und vier Wochen geben einem die Anbieter Zeit, ihr Musikangebot auf Herz und Nieren zu testen. Die Bezahlinformationen muss man meist zuvor hinterlegen, nur bei Rdio und Deezer geht es ohne, wobei eine Neuanmeldung bei Deezer ausschließlich mit einem gültigen Facebook-Account möglich ist. Rara gewährt statt einem kostenlosen Test nur eine preisreduzierte Startphase von drei Monaten, hier muss man aber schon auf der Homepage auf das Kleingedruckte achten.

Deezer, Juke und Rdio verhalten sich vorbildlich, wenn es um die Verlängerung eines Probeabos geht: Bei diesen Diensten muss man es aktiv in ein reguläres Bezahlabo umwandeln. Bei Napster, Rara, Simfy, Sony Music Unlimited und Spotify muss man hingegen aktiv kündigen, wenn man nach Ablauf des Tests kein Abonnement haben möchte. Immerhin lassen sich die Dienste monatlich abbestellen, sodass sich der Schaden auch für vergessliche Zeitgenossen in Grenzen hält.

Hat man sich für einen Premium-Zugang eines Angebots entschieden, kann man die Musik theoretisch über beliebige mit dem Internet verbundene Geräte abrufen. Bis auf Spotify erlauben alle Anbieter den bequemen Zugriff über PC oder Notebook – einen aktuellen Browser vorausgesetzt. Die Eingabe von Benutzername und Kennwort genügt dabei, um auch am PC im Büro eben mal Musik zu hören.

Spotify setzt am Rechner ausschließlich auf seine gleichnamige Abspielsoftware, die für Windows, Mac OS X und Linux zu haben ist. Auch Napster, Rdio und Simfy lassen sich über optional erhältliche Player-Software nutzen. Gegenüber dem Browser bietet sie oft ein paar Vorteile: So kann man zum Beispiel Titel für die spätere Offline-Nutzung speichern – praktisch, wenn man mit dem Notebook im ICE auf Reisen ist. Die offline gespeicherte Musik ist dabei nicht frei zugänglich, sie liegt DRM-geschützt vor und lässt sich nur über die jeweilige Software abspielen.

Will man Musik mit dem Handy hören, haben Besitzer eines Android-Gerätes die freie Wahl: Alle Dienste haben eine entsprechende App im Market stehen. Die iOS-Familie bestehend aus iPhone, iPod touch und iPad wird ebenfalls breit unterstützt, es fehlen allerdings Apps für Rara und Sony Music Unlimited. Rara wird die App nach eigenen Angaben in Kürze nachliefern – da beide Dienste auf der gleichen Plattform aufsetzen, dürfte auch Sony Music Unlimited bald nachziehen. Die Apps von Spotify und Juke laufen auf dem iPad nur hochgezoomt im Kompatibilitätsmodus, die anderen Dienste haben eine schicke HD-Version fürs iPad.

Die Unterstützung weiterer Mobilgeräte ist eher lückenhaft. Deezer, Rdio und Spotify sind auch auf Windows Phone 7 vertreten – Deezer, Rdio, Simfy und Spotify auch auf Blackberry-Smartphones. Die mit Abstand breiteste Unterstützung bieten Deezer und Spotify – in ihrer Liste kompatibler Geräte stehen auch Geräte mit Samsungs Bada oder Symbian OS.

Wer die Musik-Flatrate im Wohnzimmer nutzen möchte, kann einige Musikportale auch über vernetzte Unterhaltungselektronik anzapfen. Hierzu zählen die spezialisierten Musikverteilsysteme von Logitech, Philips, Sonos und Raumfeld, aber auch vernetzte Heimkino-Receiver, Blu-ray-Spieler oder ausgewählte Fernsehgeräte. Sony nimmt mit Music Unlimited eine Sonderstellung ein, da der Konzern Music Unlimited als Medienoption der hauseigenen Hardware betrachtet. So lässt sich der Dienst auf praktisch jeder vernetzen Unterhaltungselektronik von Sony inklusive der PS3 nutzen.

Die Streaming-Flatrates eignen sich nur eingeschränkt als „Familien-Paket“, da bei allen Anbietern nur ein Gerät zur selben Zeit nutzbar ist. Einziges Schlupfloch hierbei ist jeweils der Offline-Modus, den – bis auf Sony – alle Dienste bei ihren mobilen Clients anbieten. Hat man seine Lieblingsalben auf das mobile Gerät heruntergeladen und ist offline, lässt sich die Live-Streaming-Funktion von anderer Stelle aus nutzen. Bei fünf Anbietern ist die Zahl unterstützter Endgeräte zudem beschränkt – Deezer knausert mit maximal zwei Mobilgeräten, bei den anderen sind es meist drei mögliche Abspielstationen. Der Zugriff über den Web-Browser eines Rechners wird dabei grundsätzlich nicht gezählt.

Den vollständigen Artikel finden Sie in c't 6/2012. (sha)