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Elektronische Gesundheitskarte: Lösungsarchitektur übergeben

An der Ausarbeitung der nahezu 1000 Seiten umfassenden Detailspezifikationen waren zu Spitzenzeiten 120 Fachleute aus bis zu 40 Institutionen beteiligt.

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Von
  • Detlef Borchers

Mit einer kleinen Feierstunde haben die drei Fraunhofer-Institute ISST, IAO und SIT zusammen mit der Fachgruppe "Industrielle Software" der TU Wien die Lösungsarchitektur für die elektronische Gesundheitskarte an Gesundheitsministerin Ulla Schmidt übergeben. An der Ausarbeitung der nahezu 1000 Seiten umfassenden, 9,5 MByte starken Detailspezifikationen waren zu Spitzenzeiten 120 Fachleute aus bis zu 40 Institutionen beteiligt. Zuletzt musste nächtens durchgearbeitet werden, um den Messetermin halten zu können. Das Gesundheitsministerium (BMGS) wird die Lösungsarchitektur nach einer kurzen Prüfung an die Gesundheitskarten-Projektgesellschaft Gematik weiterreichen. Dort werden in Zusammenarbeit mit der Industrie Arbeitsgruppen gebildet, damit unmittelbar nach dem 12. April erste Ausschreibungen zur Hard- und Software der elektronischen Gesundheitskarte veröffentlicht werden können.

Ulla Schmidt betonte in ihrer Rede die große Zustimmung zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in der Bevölkerung. "Wir werden mit der Karte etwas nach vorne bringen, von dem andere Länder noch etwas lernen können." Andreas Köhler, Vorsitzender des Gematik-Verwaltungsausschusses, pries die Lösungsarchitektur als "ehrgeiziges Projekt mit abertausenden von Schnittstellen. Angesichts der Komplexität ist es gar nicht möglich, dass diese Lösungsarchitektur vollständig ist", warnte Köhler vor übertriebenen Erwartungen. Doch seien die Spezifikationen so weit, dass sie Schritt für Schritt abgearbeitet werden, damit noch in diesem Jahr mit den Testvorhaben begonnen werden könne. Köhler forderte in seiner Rede das BMGS auf, den Genehmigungsvorbehalt des Bundes gegenüber der Gematik aufzuheben, damit die Arbeit noch flüssiger vonstatten gehe.

Projektleiter Herbert Weber vom Fraunhofer ISST beschrieb die Lösungsarchitektur als "Blaupause, Statikberechnung und Versorgungsplan des deutschen Gesundheitshauses". Sie liefere zudem mit der elektronischen Gesundheitskarte sogleich den Generalschlüssel für das zu errichtende Gebäude. Dieses soll nach Weber aus drei Etagen bestehen, wobei in der obersten die Kartenträger und Leistungserbringer untergebracht sein sollen. In der zweiten Etage befinde sich die Leitzentrale, die genau definiere, wer mit wem überhaupt kommunizieren dürfe und "festverdrahtete Schaltungen einrichtet, damit niemand unberechtigt auf Informationen zugreifen kann", so Weber. In der ersten Etage seien die Systeme und Netze untergebracht, "ein riesiger Maschinenpark, der flächendeckend die gesamte Republik überzieht". Weber betonte, dass die Sicherheit der Kommunikation mit einer Menge von virtuellen Maßnahmen sichergestellt sei: "Nicht jeder hat Zugang zu allen Informationen, sondern nur den Zugang zu virtuellen Bildern dieser Information, die in virtuellen Datenbanken erzeugt wird."

Praktisch muss man sich die Lösung als SQL-View-Statement vorstellen, in denen jeder je nach Berechtigung bestimmte Felder gar nicht sehen kann. Die Technik der Lösungsarchitektur sieht vor, dass der Zugang auf die Kommunikationsinfrastruktur auf registrierte, über Access Points angebundene Nutzer beschränkt ist. Jeder Access Point besteht aus einem Konnektor und einer oder mehrerer VPN-Boxen, die über einen VPN-Tunnel mit Access Gateways verbunden sind.

"Hierdurch entsteht ein abgesichertes, virtuelles, privates Netz innerhalb des zu Grunde liegenden Internet, für das auch ein eigener virtueller Adressraum definiert ist", heißt es in Kurzbeschreibung der Lösungsarchitektur. Dienste in der Telematik-Infrastruktur seien in unterschiedliche Sicherheitszonen eingeordnet, könnten hierarchisiert und je nach Sicherheits- und Performanzanforderung flexibel verteilt werden. Die Daten der Anwendungsdienste würden über eine einheitliche Zugriffssicherung eingebunden. Diese setze die komplexen Anforderungen um, die für die Wahrung der Patientenrechte erforderlich seien. Grundsätzlich bleibe die Kontrolle der Zugriffsrechte beim Versicherten und werde mit Hilfe der Gesundheitskarte ausgeübt.

Zur elektronischen Gesundheitskarte und der Reform des Gesundheitswesens siehe auch:

(Detlef Borchers) / (anw)