Europäisches Patentsystem: Status quo statt Reform?

Das Zeitfenster zur Reform des europäischen Patentsytems und der Einrichtungen einer einheitlichen Patengerichtsbarkeit in Europa schließt sich, meinten Teilnehmer des Symposiums zur Zukunft der Patengerichtsbarkeit in Europa.

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Von
  • Monika Ermert

Das Zeitfenster zur Reform des europäischen Patentsystems und der Einrichtung einer einheitlichen Patentgerichtsbarkeit in Europa schließt sich. Noch nie habe es bei einer Veranstaltung so viele Stellungnahmen gegeben, die deutlich machten, dass sie der endlosen Diskussionen überdrüssig seien, sagte der Chef des Bundespatentgerichts Raimund Lutz zum Abschluss des Symposiums zur Zukunft der Patentgerichtsbarkeit in Europa. "Die Bereitschaft wächst, sich mit dem bestehenden System zufrieden zu geben", sagte Lutz. Bei dem Symposium hatten sich mehrere Wirtschaftsvertreter dahingehend geäußert, der Status quo sei einem schlechten Kompromiss vorzuziehen. Lutz wünschte der portugiesischen Präsidentschaft gerade daher viel Glück, das bei der Konferenz viel gelobte, aber an anderer Stelle auch heftig kritisierte European Patent Litigation Agreement (EPLA) doch noch zu realisieren.

Margot Fröhlinger von der Generaldirektion Binnenmarkt bezeichnete das EPLA als "in sich schlüssiges", wenn auch aus Sicht der EU-Kommission nachbesserungswürdiges System, das geeignet sei, eine gemeinsame Gerichtsbarkeit zu schaffen. Das EPLA habe nur "einen entscheidenden Schönheitsfehler: Es wird nicht von einer ausreichenden Zahl von Mitgliedsstaaten unterstützt", berichtete Fröhlinger. Die EU-Kommission hat so nicht wie erwartet ein Verhandlungsmandat bekommen, um mit der Europäischen Patentorganisation (EPO) das EPLA für die Union zu verhandeln. Alleine von den Mitgliedsstaaten könne es aber nicht abgeschlossen werden, denn die Gemeinschaft hat die Kompetenz für Regelungen in diesem Bereich. Da im Rat noch nicht einmal eine qualifizierte Mehrheit vorhanden sei, seien die EPLA-Verhandlungen blockiert. Als Alternative hat die Kommission nun den Vorschlag vorgelegt, eine europäische Patengerichtsbarkeit gemeinschaftsrechtlich zu verankern, aber auch dafür gibt es keine Mehrheit im Rat.

Die rechtlichen Probleme, die es aus Sicht der Kommission gibt, ließen sich beheben, sagte Fröhlinger, wäre der politische Wille dazu da. "Sie lassen sich aber nur überwinden, wenn sich die zwei Lager aufeinander zu bewegen." Für den Kommissionsvorschlag nannte Fröhlinger sechs Elemente, allen voran ein dezentrales System der Rechtsprechung durch "Einrichtung einer beschränkten Anzahl von Regionalkammern", die nach gleichen Verfahrensregeln arbeiten. Diese sollen nach der Zuteilung der Fälle per Zentralregister in erster Instanz entscheiden. Berufungen gehen dann zu einem zentralen Berufungsgericht. Genau diese Trennung sieht auch das EPLA vor. Allerdings hätten die EPLA-Befürworter gerne eine sehr begrenzte Anzahl von Regionalkammern. Auf keinen Fall will man eine Kammer in jedem Mitgliedsland, denn in Ländern mit einer Hand voll Patentstreitigkeiten fehle es noch an Know-how.

Auch bei der Gewährleistung des technischen Sachverstands, den die Kammern und der neue EU-Patentgerichtshof haben sollen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, sagte Fröhlinger. Nicht einverstanden ist man bei der Kommission mit dem EPLA-Vorschlag, dass auch Mitglieder der Beschwerdekammern der Patentämter als Richter fungieren könnten. "Nach Auffassung der Kommission ist eine solche Beteiligung nicht mit der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar", kritisierte Fröhlinger. Andererseits lockt man die Mitgliedsstaaten mit der Aussicht darauf, dass das zentrale Patentgericht aus EU-Mitteln bezahlt werden könnte. Bei allem Pessimismus gebe es derzeit durchaus Signale aus den Hauptstädten, dass eine Einigung im Rat doch noch möglich sei. Vom neuen französischen Ministerpräsidenten François Fillon wurde mehrfach kolportiert, er werde mindestens das Londoner Protokoll zur Vereinfachung der Anforderungen an Übersetzungen bei Patenten unterzeichnen.

Der Schweizer Patentrechtler Roland Grossenbacher, einer der Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Streitregelung und damit einer der Väter des EPLA, warb dagegen für die Vereinbarung als die fertige Lösung: "In allen Punkten, die Anliegen der Kommission sind, sieht das EPLA überzeugende Regeln vor." Divergenzen gebe es allenfalls in zwei oder drei Punkten, unter anderem den Regelungen für die Übersetzungen. Vor allem sei das EPLA fakultativ, während bei einer Gemeinschaftslösung sämtliche Mitgliedsstaaten zustimmen müssten. Genau das macht das EPLA attraktiv, findet Grossenbacher: Genau wie beim Europäischen Patentübereinkommen könne man bei EPLA mit wenigen Staaten starten, namentlich denen, die besonders großes Interesse und besonders viele Patentstreitigkeiten hätten. Den anderen Ländern, vor allem auch den neuen EU-Mitgliedsstaaten, bliebe Zeit, den Erfolg abzuwarten.

Das EPLA könne analog zum Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) von mehr und mehr Ländern unterzeichnet werden. Die Befürchtung, dass das EPLA das Gemeinschaftspatent obsolet mache, sei nicht von der Hand zu weisen, das treffe allerdings für beide Alternativen zu. Mehrfach wurde bei der Konferenz auch angeregt, Opt-Out-Lösungen zu erwägen. Immerhin müsse man beim Grenzübergang nach Großbritannien den Pass zeigen, und in Dänemark gebe es auch keinen Euro. Daher sollte auch beim Patentrecht eine phasenweise Einführung einer zentralen Gerichtsbarkeit möglich sein, meinte ein Teilnehmer.

Für das deutsche Justizministerium warnte Johannes Wichard, im Verlauf der deutschen Präsidentschaft an den Verhandlungen für das EPLA-Verhandlungsmandat beteiligt, vor einem Minimalkompromiss einer neu zu verhandelnden Gemeinschaftslösung. Dem ausgearbeiteten EPLA stünden auf der anderen Seite "skizzenhafte Ansätze" gegenüber. "Das EPLA hat die Messlatte sehr hoch gehängt", betonte Wichard. Es ergebe daher keinen Sinn, Ansätze zu verhandeln, die dahinter zurückfielen.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Monika Ermert) / (jk)