Koalition: Verlage sollen Geld von News-Aggregatoren erhalten

Die Regierungskoalition einigte sich am gestrigen Sonntag darauf, ein Leistungsschutzrecht für Verlage einführen zu wollen. Aggregatoren wie Google News sollen bald zahlen, wenn sie Überschriften fremder Portale übernehmen und sortieren.

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Von
  • Holger Bleich

Die Koalition hat am gestrigen Sonntag entschieden, ein Leistungsschutzrecht für Internetinhalte von Verlagen einführen zu wollen. Wörtlich heißt es im Protokoll (PDF-Datei) des schwarz-gelben Koalitionsausschusses vom 4. März: "Gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren, sollen künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen (wie Zeitungsartikel) im Internet ein Entgelt an die Verlage zahlen."

Die Schutzfrist für journalistische Texte im Web soll der Vereinbarung zufolge ein Jahr betragen. Für das Inkassieren und die Verteilung der Entgelte soll eine nicht konkret benannte Verwertungsgesellschaft zuständig sein. Laut Protokoll soll "die private Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet nicht vergütungspflichtig" werden. Wo die Koalition die Grenzen zwischen privaten und gewerblichen Angeboten sieht, bleibt offen. Das seit Jahren umstrittene Leistungsschutzrecht soll im Rahmen der Novellierung des Urheberrechtsgesetzes ("3. Korb") bald umgesetzt werden.

Zeitungs- und Zeitschriftenverlage begrüßten umgehend den Beschluss des Koalitionsausschusses. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) erklärten am heutigen Montag, im digitalen Zeitalter sei ein solches Recht unverzichtbar, um die gemeinsame Leistung von Journalisten und Verlegern wirksam schützen zu können. Das Leistungsschutzrecht sei keine hinreichende, wohl aber eine notwendige Bedingung für den Erhalt einer freien und staatsunabhängig finanzierten privaten Presse im digitalen Zeitalter.

Kritiker des Leistunggschutzrechts befürchten "massive Auswirkungen auf die Online-Wirtschaft, auf Blogs und den Umgang mit Überschriften und Links zu und mit digital verfügbaren Informationen", wie das spezialisierte Blog irights.info zusammenfasst. Durch die "im Urheberrecht sehr weit gefasste 'Gewerblichkeitsschwelle'" drohten nun "auch Blogs und einer Vielzahl von anderen Angeboten in eine neue Kostenpflichtigkeit zu fallen. In der Praxis werde "völlig offen sein, ob beispielsweise ein Flattr-Button auf der Website schon die Gewerblichkeit positiv indiziert. Das sollen dann die Gerichte entscheiden? Eine neue Abmahnindustrie wird geboren".

Markus Beckedahl, Vorsitzender des Digitale Gesellschaft e.V., titelte im Blog netzpolitik.org zum Thema provokativ: "Axel Springer kauft Leistungsschutzrecht bei Koalition". Der Medienjournalist Stefan Niggemeier kommentierte die Koalitionsvereinbarung sarkastisch: "Okay, die Zeitungen müssen anscheinend doch noch nicht sofort sterben." Aggregatoren wie Google News und Medienblogs Perlentaucher oder turi2 "sollen den Verlagen also Geld dafür geben, dass sie helfen, dass deren Inhalte ein Publikum finden". Das sei, "als müsste der Busfahrer dem Kirmesbetreiber Geld dafür geben, dass er die Kunden zu ihm bringt. Dem Vorhaben fehlt jede innere Logik".

Die Einführung des Leistunggschutzrechts für Verlage ist hierzulande seit Jahren heftig umstritten. Urheberrechtsexperten und Verbände der Internetwirtschaft sprechen sich überwiegend gegen sie aus. Die Verlagsverbände machen sich mit intensiver Lobbyarbeit für ein Entgelt für Übernahmen von Überschriften oder Anrisstexten stark. Eine ausführliche Einführung ins Thema brachte c't in der Ausgabe 17/10, online hier zu finden. (hob)