EU-Parlamentarier erarbeiten Kompromiss zur TK-Vorratsdatenspeicherung

Die Fraktionsvorsitzenden haben sich in Brüssel mit dem Parlamentsberichterstatter für die umstrittene Richtlinie zur pauschalen Überwachung der Nutzerspuren auf das weitere Vorgehen verständigt.

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Die Fraktionsvorsitzenden im EU-Parlament haben sich gemeinsam mit dem Berichterstatter für die heftig umstrittene Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten, Alexander Alvaro, auf eine Kompromisslinie geeinigt. Erleichtert zeigte sich Alvaro nach dem zweistündigen Gespräch, dass die Parteiführer die Erfassung von Internetverbindungsdaten weitgehend aus dem geplanten Gesetz zur Aufzeichnung der elektronischen Spuren der 450 Millionen EU-Bürger heraushalten wollen. "Eine Abfrage von E-Mail-Daten oder der MAC-Adressen von PC-Netzwerk-Karten soll es nicht geben", erklärte der FDP-Politiker gegenüber heise online. Allein das Ein- und Ausloggen von Nutzern ins Netz müssten Provider gemäß dem Kompromiss protokollieren.

Mit seiner Forderung, die Speicherfristen für die begehrten Daten generell auf drei Monate zu begrenzen, konnte sich Alvaro dagegen nicht durchsetzen. Hier gebe es noch weiteren Klärungsbedarf. Sozialdemokraten und Konservative hätten sich auf Vorhaltungsräume zwischen sechs und zwölf Monaten eingeschossen, nachdem ihnen teilweise gar eine zweijährige Frist vorgeschwebt hätte.

Bei den Überwachungsplänen in Brüssel, die vom EU-Rat und der EU-Kommission mit Nachdruck vorangetrieben werden, geht es ursprünglich um die Speicherung der Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, SMS, E-Mailen, Surfen oder Filesharing anfallen. Mit Hilfe der Datenberge sollen Profile vom Kommunikationsverhalten und von den Bewegungen Verdächtiger erstellt werden. Telefondaten will die Kommission zwölf, Internetdaten sechs Monate aufbewahrt wissen. Die Parlamentarier, die zunächst über 200 Änderungsanträge eingereicht hatten, wollen die von den Sicherheitsbehörden gewünschten Datenhalden nun aber einschränken.

Im Gegensatz zum Kommissionspapier sollen etwa Standortdaten im Mobilfunk nur am Anfang eines Gesprächs von den Anbietern gespeichert werden müssen. Bei Informationen über erfolglose Anrufe sieht die gefundene Einigung ferner eine Klausel vor, die den Mitgliedsstaaten eine nationale Regelung erlauben würde. Den Bedenken der Wirtschaft, die diese Datentypen bislang nicht erhebt, könnte so besser Rechnung getragen werden. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat sich bereits für eine Regelung im Interesse der Industrie ausgesprochen.

Den betroffenen Unternehmen sollen zudem laut Alvaro "zusätzliche Kosten und Investitionen" erstattet werden, auch wenn eine generelle Aufwandsentschädigung nicht mehr vorgesehen sei. Mit seinem Plan, den Strafverfolgern die Abfrage der Daten nur bei schweren Straftaten zu ermöglichen, konnte sich der Liberale größtenteils durchsetzen. "Hier ist eine Koppelung mit dem Katalog im Gesetz für den Europäischen Haftbefehl vorgesehen", die seinen ursprünglichen Vorstellungen sehr nahe komme. Viele Abgeordnete hatten sich zunächst dafür stark gemacht, in diesem Bereich den Ermittlern keine Grenzen zu ziehen, obwohl die Richtlinie eigentlich vor allem auf die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität zielt. Ohne die Definition eines Straftatenkatalogs hätten bald aber die Verbindungsdaten etwa auch bei illegalen Downloads aus dem Internet eingesehen werden können, hält Alvaro dagegen. Das Herunterladen kopiergeschützter Inhalte will die Kommission gegenwärtig im Rahmen einer weiteren Richtlinie zur Durchsetzung des geistigen Eigentums kriminalisieren.

Widerstand gibt es nach Angaben Alvaros bei den Fraktionsvorsitzenden gegen seinen Vorschlag, die Richtlinie zunächst auf fünf Jahre zu befristen und erst nach einer gründlichen Evaluierung sowie dem Nachweis eines Mehrwerts der Pauschalüberwachung gegebenenfalls zu verlängern. Trotzdem ist sich der FDP-Politiker sicher, "im Rahmen der Möglichkeiten das Weitestgehende erreicht zu haben". Der "schwarz-rote Block" habe sich nun einmal generell auf den Kuhhandel der britischen Ratsführung eingelassen, die Richtlinie prinzipiell mitzutragen. Im Gegenzug soll das Parlament weitere Mitspracherechte in der Innen- und Justizpolitik erhalten. Eine solche Bestimmung müsse aber vom Rat einstimmig gefasst werden und könne nicht von den Briten allein durchgesetzt werden, zeigt sich Alvaro skeptisch angesichts der Einhaltung des Versprechens. Generell könne er angesichts der aufgenötigten Eile bei dem Gesetzgebungsverfahren sich immer nur um Schadensbegrenzung bemühen. Sollte der nun gefundene Kompromiss aber weder im federführenden Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Inneres und Justiz am 24. November noch im Plenum Mitte Dezember bestätigt werden, würde er auf jeden Fall seinen Namen von der parlamentarischen Vorlage zurückziehen. Dies käme einem Eklat gleich.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen, siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)