Costa Ricas Präsidentin erntet Ovationen auf ICANN-Tagung

Mit ihrer Forderung, das offene Internet zu bewahren, traf Laura Chinchilla den Nerv der 1700 Teilnehmer der 43. Tagung der Internet Corporaton for Assigned Names and Numbers.

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Von
  • Monika Ermert

Mit Forderungen zur Bewahrung eines offenen Internets hat am Montag in der costa-ricanischen Hauptstadt San José die 43. Tagung der Internet Corporaton for Assigned Names and Numbers (ICANN) begonnen. Zur Eröffnung (PDF-Datei) warnte Costa Ricas Präsidentin Laura Chinchilla vor Versuchen, die Kommunikationsfreiheit im Netz zu beschneiden. US-Gesetzentwürfe wie der Stop Online Piracy Act (SOPA) oder der Protect IP Act (PIPA), mit denen nationale Rechtsprechung auf den gesamten Cyberspace ausgeweitet werden sollten, gäben Anlass zur Sorge, so die Politikerin unter dem stehenden Applaus der rund 1700 Teilnehmer.

"Die legitimen Bedenken wegen Datenschutz, Sicherheit und den Schutz des geistigen Eigentums dürfen kein Vorwand für einschneidende Kontrollen im Cyberspace sein", sagte Chinchilla. Sie befürworte stattdessen ein Modell, das Datenschutz und Sicherheit garantiere und den universellen Zugang zum Netz respektiere. Für Costa Rica sprach sich die Präsidentin des Landes, das als einziges nach einer Volksabstimmung 1948 einer Armee abgeschworen hat, für einen "Digitalen Gesellschaftsvertrag" aus; dabei soll ein echter Breitbandzugang für alle geschaffen werden, der für alle Schulen und für arme Bevölkerungsgruppen kostenlos sein soll.

Der ICANN-Vorsitzende Steve Crocker schloss sich Chincillas Rede mit der Forderung an, die offene Architektur des Netzes und die Chancen zur spontanen Innovation zu erhalten. Crocker hatte sich selbst gegen die PIPA, SOPA und den Vorläuer COICA engagiert.

Eine aktuelle Empfehlung von Sicherheitsexperten der ICANN zu den formalen Anforderungen der in den USA üblichen Domainbeschlagnahmen steht Crockers Ausführungen allerdings entgegen. Das von ICANN-Mitarbeiter Dave Piscitello veröffentlichte Papier führt in einer Checkliste für gerichtliche Anordnungen als berechtigte Aufforderungen von Dritten mutmaßliche Kinderpornografie, Urheberrechtsverletzungen, Abwehr von Malware oder auch nur "algorithmisch ermittelte" Sperrforderungen auf. Die Liste der Maßnahmen reicht von Änderungen des eingetragenen Inhabers, der Übertragung der Domain mit Eintragung neuer autoritativer Server bis zur Deaktivierung von DNSSEC oder dem Eintragen neuer Schlüssel.

Weder Crocker noch der Vorsitzende des Sicherheits- und Stabilitätsausschusses der ICANN, Patrik Fältström, wollten kurzfristig zu dem Papier Stellung beziehen. Vermutlich ist der Vorstoß nicht breit abgestimmt. Das auf US-Recht zugeschnittene Papier widerspricht einer der zentralen Forderungen Chinchillas, wenigstens außerhalb der eigenen Grenzen darauf zu verzichten, die Netzfreiheit einzuschränken.

Die ICANN-Konferenz, bei der die Einführung der neuen Top Level Domains (TLD) und Nachbesserungen an dem dafür geschaffenen Verfahren im Mittelpunkt stehen, dauert noch bis Freitag. Bis gestern hatten sich 254 Interessenten als Bewerber für neue TLDomains bei der ICANN registriert. Diese können jeweils bis zu 50 neue TLDs anmelden. Die ICANN gibt allerdings keine konkreten Zahlen zu den bereits beantragten Domains heraus. Bewerber müssen sich bis zum 29. März anmelden, bis 12. April können dann die Anträge für die einzelnen TLDs abgeschlossen werden. Am 1. Mai will die Organisation die Liste der Bewerbungen veröffentlichen. Kritisiert wurden am Montag Pläne der ICANN, die Bewerberzahl in Etappen von 500 abzuarbeiten und dafür eine weitere Registrierung nach dem 12. April einzuführen. Ein Vertreter der EU-Kommission befürchtete Wettbewerbsprobleme.

Jeglichen Kommentar verkniff sich die ICANN-Spitze in Bezug auf die Ohrfeige, die sie am Wochenende von der National Telecommunications and Information Administration (NTIA) bekommen hatte. Die Behörde hatte mitgeteilt, da kein Bewerber ihre Bedingungen für den Betrieb der Rootzone erfülle, sehe sie sich gezwungen, das Ausschreibungsverfahren um die Internet Assigned Numbers Authority für gescheitert zu erklären. ICANN-Präsident Rod Beckstrom, für den gerade ein Nachfolger gesucht wird, sagte, die Organisation könne frühestens nach einem Treffen mit der NTIA über die Gründe Auskunft geben und vorerst keine Aussage über eine Wiederbewerbung machen. (anw)