Kein Mangel an Ingenieuren erkennbar

Sind die Klagen über den Fachkräftemangel in Deutschland überzogen? Davon geht der DIW zumindest in Bezug auf Ingenieure aus.

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Von
  • Marzena Sicking

"Der Fachkräftemangel gefährdet den IT-Standort Deutschland" klagte erst kürzlich wieder der Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Es gäbe immer mehr offene Stellen, die Zahl der Absolventen reiche nicht aus, um den steigenden Bedarf zu decken, es drohe ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, hieß es. Da das Durchschnittsalter der Ingenieure bei etwa 50 Jahren liege, werde die Hälfte der derzeit noch Aktiven in den nächsten 10 bis 15 Jahren auch noch in Rente gehen. Ein Defizit ohne Aussicht auf Ausgleich.

Dem widerspricht nun aber das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vehement, dass die VDI-Angaben mit den Daten des Mikrozensus und den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit verglichen hat. Und die Ergebnisse zeichnen ein ganz anderes Bild. So sei das Durchschnittsalter der Ingenieure ist in den letzten zehn Jahren zwar etwas gestiegen, im Schnitt seien Ingenieure aber sogar jünger als andere Akademiker. Nur ein Drittel der Ingenieure sei 50 Jahre und älter, das Durchschnittalter liege bei 43,3 Jahren.

Während der VDI von einem jährlichen Ersatzbedarf an 40.000 Ingenieuren ausgeht, rechnet der DIW Berlin nach der aktuellen Auswertung höchstens mit der Hälfte. Wenn man "fair rechne", so Karl Brenke, Arbeitsmarktexperte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, kämme man auf ungefähr 20.000 Personen, die jedes Jahr aus Altersgründen ausscheiden. Um auf einen jährlicher Bedarf von 40.000 Ingenieuren zu kommen, die nur die Ruheständler ersetzen sollen, müssten alle erwerbstätigen Ingenieure, die heute 50 Jahre und älter sind, innerhalb der nächsten fünfeinhalb Jahre in Rente gehen, erklärt Brenke. Realistisch ist das nicht.

Auch lasse der gegenwärtige Run auf ingenieurwissenschaftliche Studienplätze für die nächsten Jahre keinen Mangel, sondern eher ein Überangebot an Fachkräften vermuten. Allein die Absolventen, die gegenwärtig an den Unis ein entsprechendes Studium aufnehmen würden, könnten den gesamten Bedarf an Ingenieuren decken. Allein 2010 habe es 50.000 Absolventen von industrienahen Ingenieurstudiengängen gegeben. Von einem Fachkräftemangel bei Ingenieuren könne deshalb keine Rede sein. Vielmehr könne der Berufseinstieg für junge Ingenieure in den kommenden Jahren zunehmend schwieriger werden, falls es eine Absolventenschwemme gäbe. (masi)