Schräge Nummer, Teil 2

Überraschung, Überraschung: Internationale Experten bezeichnen die Atomenergieagentur IAEO in Sachen Iran als „parteiisch“.

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Wenn ich an diesem wunderschönen Frühlingstag schon am Schreibtisch sitzen muss, kann ich mich wenigsten selbst beweihräuchern. Im November 2011 habe ich an dieser Stelle über den Bericht der Internationalen Atomenergieagentur IAEO zum Atomprogramm des Iran geschrieben. Und ich hatte Recht.

Der - eigentlich nicht öffentliche - Report war offenbar gezielt an Medien weitergegeben wurden und untermauerte die Einschätzung der USA, der Iran stehe kurz davor, Atomwaffen zu bauen, müssen also auf jeden Fall möglichst schnell gestoppt werden.

Die Geschichte ist mir allerdings schon damals nicht ganz sauber vorgekommen. Jetzt berichtet der Guardian, hochrangige Experten würden die Agentur öffentlich für ihre Parteilichkeit schelten und ihr schlampige Arbeit vorwerfen. Hans Blix etwa, von 1981 bis 1997 Direktor der IAEO und von 2000 bis 2003 Chef der UN-Rüstungskontrollkommission, wird mit den Worten zitiert, es gäbe „einen Unterschied zwischen Informationen und Beweisen“ und eine „verantwortungsvolle Organisation“ müsse „Fragen stellen“ statt Schlüsse aus Informationen zu ziehen, die nicht verifiziert worden sind. Was die Agentur aber nicht hindert, sich weiterhin ernsthaft besorgt über das iranische Atomprogramm zu zeigen - und so die Situation im Nahen Osten weiter anzuheizen.

Der Kalte Krieg ist offenbar noch längst nicht vorbei. Und wohin das führen kann, kann man jetzt in dem neuen Buch Der verstrahlte Westernheld von Rudolph Herzog nachlesen.

Etwa die Geschichte des österreichischen Physikers Gernot Zippe, der in einem sowjetischen Geheimlager die maßgeblichen Arbeiten für die Erfindung der Gaszentrifuge zur Anreicherung von waffenfähigem Uran geleistet hat. Die Zentrifuge selbst hatten die Russen für die Entwicklung ihrer eigenen ersten Atombombe dann zwar doch gar nicht gebraucht, weil es ihnen erfolgreich gelungen war, im Atomwaffenprogramm der Amerikaner Spione zu platzieren.

Die erfolgreiche Arbeit belohnten sie dann aber mit einer Heimfahrkarte für Zippe, der sich, kaum in Österreich angekommen, seine Arbeiten dort auch patentieren ließ. Das Patent wollte er in den USA verkaufen, doch Lewis Strauss, damals Vorsitzender der dortigen Atomenergiekommission, „hat es nicht genommen, weil in den USA Energie billig war“, erzählte Zippe dem Magazin Profil. So unterschrieb er schließlich einen Konsulentenvertrag mit dem deutschen Chemiekonzern Degussa - der in der NS-Zeit das Gift „Zyklon-B“ produziert hatte, nun aber ins Atomgeschäft einstieg. Später heuerte Zippe dann als Berater beim internationalen Unternehmen Urenco an, das wiederum 1973 von dem pakistanischen Atomspion Abdul Khan um seinen technisches Vorsprungswissen in Sachen Zentrifugenbau erleichtert wurde. Khan wiederum soll die Pläne auch in den Nahen Osten verkauft haben - unter anderem war das eine der Begründungen für den Einmarsch der Amerikaner in den Irak. Und natürlich spielen die Zentrifugen auch im Iran eine maßgebliche Rolle.

Ähnlich spannend ist die Geschichte über den Goldsboro-Unfall vom 24. Januar 1961. An diesem Tag stürzte eine mit zwei Wasserstoffbomben beladene B-52 nach einer missglückten Luftbetankung ab. Eine der Bomben stürzte direkt ab, die andere löste sich von der Maschine und glitt, sanft an einem Fallschirm zu Boden. Prima Sache möchte man meinen, aber genau das entsprach ihrer Funktion: Das System war mit einer Reihe von Sicherheitsschaltungen ausgestattet, die Änderungen in der Umgebung erkennen (plötzliche Beschleunigung, steigender Luftdruck usw.) und sich selbst scharf schalten konnte. Eine Art analoge „ambient intelligence“ wenn man so will - die kluge, und damit sichere Bombe. Sechs von sieben dieser Mechanismen sollen damals ausgelöst worden sein. Und die Bombe sollte möglichst lange in der Luft bleiben, weil sie dort gezündet werden sollte. Um maximalen Schaden zu verursachen.

Offenbar befördert der Umgang mit Atomwaffen eine ganz besondere - sagen wir mal nichtlineare - Art des Denkens. Das sieht für Normalsterbliche zwar von außen völlig irrational aus. Es dient aber in der Regel dem Weltfrieden oder mindestens der nationalen Sicherheit und weil Atomwaffen mit im Spiel sind muss man ja nicht immer gleich hysterisch werden, gell. Schließlich ist bisher ja alles gut gegangen...

(wst)