Der Wert der Privatsphäre

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt, dass viele Nutzer sich für ein Datenschutz-freundlicheres Angebot entscheiden, wenn sie eine Wahl haben. Einige sind sogar bereit, für mehr Privacy draufzuzahlen.

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Von
  • Nic Fleming

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt, dass viele Nutzer sich für ein Datenschutz-freundlicheres Angebot entscheiden, wenn sie eine Wahl haben. Einige sind sogar bereit, für mehr Privacy draufzuzahlen.

Niemand, der noch bei Sinnen ist, würde wohl in einem fremdsprachigen Online-Shop einkaufen, ohne den Wechselkurs der dort verlangten Währung zu kennen. Betrachtet man private Nutzerdaten als die eigentliche Währung des Internets, tun allerdings Millionen Menschen genau dies tagtäglich: Sie „zahlen“ auch mit ihren Daten, ohne zu wissen, wie viele man ihnen abknöpft. Da können Datenschützer noch so mahnen: Die Masse der User lässt sich von der ausufernden Datensammelei der Internet-Konzerne nicht abschrecken, solange das nächste Schnäppchen winkt – könnte man meinen.

Eine neue Studie vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin kommt nun jedoch zu einem anderen Ergebnis: Die meisten Nutzer entscheiden sich für Datenschutz, wenn sie eine Wahl haben. Ein nicht unerheblicher Teil von ihnen ist sogar bereit, dafür einen Aufschlag zu zahlen.

Nicola Jentzsch und ihre Kollegen hatten hierfür das Verhalten von 443 Studenten getestet. Die wurden auf eine Webseite geleitet, auf der man von zwei Anbietern Karten für einen tatsächlich laufenden Kinofilm kaufen konnte. Sie hatten die Wahl, keine, eine oder zwei Karten zu kaufen. Den Löwenanteil des Preises mussten sie dabei selbst bezahlen, der Rest wurde vom DIW getragen.

Im ersten Versuch boten beide Anbieter die Kinokarten zum selben Preis an, einer verlangte jedoch die Angabe einer Handynummer. Bei diesem Anbieter kauften daraufhin nur 17 Prozent der Probanden. 83 Prozent entschieden sich für den Konkurrenten, der nicht so datenhungrig war.

Im zweiten Versuch verlangte der Datenschutz-freundlichere Anbieter einen Aufschlag von 50 Eurocent. Ergebnis: Für dieses Angebot konnten sich immerhin noch 31 Prozent erwärmen. „Wer die Privatsphäre respektiert, kann durchaus mehr verlangen und einen größeren Profit machen“, folgert Sören Preibusch von der University of Cambridge, einer der Autoren der Studie, daraus. Diese ist nun von der European Network and Information Security Agency veröffentlicht worden.

In einer Variation der beiden Versuche wurde dann die Email-Adresse als Kriterium eingesetzt. Wieder verkauften in der ersten Anordnung beide Anbieter zum gleichen Preis. Aber nur einer gab explizit an, die eingegebene Email-Adresse eventuell für Werbemails zu nutzen. Der andere Anbieter, der darauf verzichtete, konnte daraufhin 62 Prozent der Verkäufe verbuchen – bei einem „Datenschutz-Aufschlag“ von 50 Prozent waren es jedoch nur noch 13 Prozent.

„In Umfragen erklären viele Leute, das ihnen Datenschutz wichtig sei“, sagt Alessandro Acquisti vom Center for Behavioral Decision Research an der Carnegie Mellon University. „Andererseits verbringen sie eine Menge Zeit damit, ihre Facebook-Seiten mit Statusmeldungen zu füllen.“ Aus diesem Widerspruch hätten viele Experten den Schluss gezogen, die Nutzer legten wohl doch keinen gesteigerten Wert auf den Schutz ihrer Privatsphäre. „Die neue Studie und unsere eigene Arbeit zeigen jedoch, dass das nicht stimmt. Der Wunsch nach Privacy ist alles andere als tot.“

Auf beiden Seiten des Atlantiks ist die Debatte um den Datenschutz inzwischen an einen kritischen Punkt gelangt. Seit dem 1. März verwaltet Google sämtliche zuvor getrennten Datenbestände eines Nutzers aus unterschiedlichen Diensten wie YouTube, Gmail oder Google+ in einem einzigen Datensatz. Dies solle eine passgenauere Websuche und Anzeigenschaltung ermöglichen, gibt der Datenriese als Begründung an.

Vergangene Woche erklärte nun die französische Datenschutzbehörde CNIL in einem Schreiben an Google, dass die neue Bündelung von Nutzerdaten gegen die EU-Datenschutzrichtlinie verstoße. Die EU arbeitet derzeit an einer Novelle der Richtlinie, die für Unternehmen im Falle einer Verletzung Strafzahlungen von bis zu zwei Prozent des globalen Umsatzes vorsieht. Auch die US-Regierung will die amerikanischen Datenschutzbestimmungen dahingehend ändern, Nutzern mehr Kontrolle über ihre Daten zu geben. (nbo)