Softwarepatentgegner richten ihre Lobby-Aktivitäten neu aus

Während der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) und die Kampagne NoSoftwarePatents verschmelzen, haben sich in Bayern und Hessen weitere mittelständische Initiativen gegründet.

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Das Lager der organisierten Softwarepatentgegner stellt sich neu auf: Die beiden wichtigsten europaweiten Initiativen, der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) und die Kampagne NoSoftwarePatents.com, haben sich am heutigen Mittwoch vereint. Die Führung wird künftig der FFII übernehmen. Florian Müller, der NoSoftwarePatents im Herbst mit Unterstützung von Firmen wie 1&1, MySQL oder Red Hat ins Leben rief und mit teils scharfen Worten in der Debatte um Softwarepatente Aufmerksamkeit erregte, wird sich aus dem aktiven Lobbying zurückziehen. Er werde -- wie von Anfang an vorgesehen -- ein bereits begonnenes Computerspiel weiter programmieren, kündigte er in einer E-Mail an Unterstützer und Politiker an. Das schließe aber nicht aus, dass er doch von Zeit zu Zeit auch künftig "in den Ring steigen" werde.

FFII-Vorstand Hartmut Pilch sieht in der übernommenen Webplattform "das beste Einstiegsportal zum Thema der Monopolansprüche auf Organisations- und Rechenregeln". Müller habe damit "ein bislang fehlendes Bindeglied zwischen verschiedenen Interessentenkreisen geschaffen". Die Sponsoren von NoSoftwarePatents.com, die vergangene Woche noch mit einem dringenden Aufruf an ihre Branchenkollegen weitere Unterstützer für die Plattform zu gewinnen suchten, wollen nach eigenem Bekunden mit dem FFII in ähnlicher Weise zusammenarbeiten wie mit der zuvor unabhängigen eigenen Initiative. "Softwarepatente sind für die ganze Branche schädlich", hält etwa MySQL-Chef Mårten Mickos an seiner bisherigen Haltung fest. Das Urheberrecht sei der bessere Schutzmechanismus für die Rechte von Programmierern.

Neben dem Konzentrationsprozess kommt es im regionalen Mittelstandsbereich gleichzeitig zur Gründung neuer Initiativen fürs Anti-Softwarepatent-Lobbying. So haben sich Unternehmer auch in Bayern und Hessen zusammengeschlossen, um eine Bekräftigung der nur mit Hängen und Würgen abgesegneten Position des Ministerrates durch das EU-Parlament zu verhindern.

"Wir wollen deutlich machen, dass die Ablehnung von Softwarepatenten keine Forderung von Idealisten oder nur der Open-Source-Gemeinde ist, sondern dass eine Übereinstimmung mit dem wirtschaftlichen Interesse der Mehrheit kleiner und mittelständischer Unternehmen besteht", begründet der Gründer der Bayerischen Vereinigung, der Münchner SAP-Berater Nico Manicone, den Schritt in einer gemeinsamen Erklärung (PDF) mit den bereits bestehenden Gruppen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Als ein Hauptproblem sehen die Unternehmer, die sich auch aus dem produzierenden Gewerbe rekrutieren, dass "trotz der gepriesenen Rechtsmittelhilfen allein wegen der investierten Zeit" der Aufbau eines "effektiven Patentportfolios" für einen Mittelstandsbetrieb nicht machbar sei, wie Hans-Peter Weecks, Mitgründer der hessischen Initiative, betont.

Der FFII hat ferner in einem Schreiben (PDF), das am gestrigen Dienstag an alle 732 Abgeordnete des EU-Parlaments verteilt wurde, seine Linie für die 2. Lesung der umstrittenen Direktive über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" offiziell abgesteckt. Darin betont der Verein zunächst noch einmal seine Haltung, dass das Ergebnis der Verhandlungen des EU-Rates den Namen "Gemeinsamer Standpunkt" angesichts der vielfachen Kritik in den eigenen Reihen, aus nationalen Parlamenten wie dem Bundestag und acht angefügten abweichenden Erklärungen einzelner Mitgliedsstaaten nicht verdiene. Den EU-Abgeordneten komme daher -- auch angesichts des von der EU-Kommission abgelehnten Neustartantrags -- die "schwere Bürde" zu, bei dem Gesetzgebungsvorhaben quasi von vorn anzufangen. Anders als in einer Demokratie üblich, müsse das Parlament in der EU auch noch "die Hausaufgaben einer unkooperativen Exekutive" machen, wettert FFII-Vorstand Pilch.

Konkret sieht der FFII nur zwei Alternativen für die 2. Lesung, die im Plenum voraussichtlich im Juli ansteht: "die Bekräftigung des Geistes der 1. Lesung des Europa-Parlaments oder -- falls sich dies als unmöglich herausstellen sollte -- die Zurückweisung der Richtlinie." Alles andere würde nur zu rechtlicher Unsicherheit führen und eine "unbegrenzte Patentierbarkeit von Software" kodifizieren, wendet sich der Verein insbesondere gegen die Patentierungspraktiken des Europäischen Patentamtes (EPA), das die EU-Abgeordneten heute zu einem Informationstag nach Brüssel geladen hat. Mit beiden Varianten würden die Abgeordneten klare Signale an die anderen EU-Gremien senden und den Druck auf das EPA zu einer internen Reform erhöhen. In einem Anhang halten die FFII-Repräsentanten zudem die Änderungen fest, die sie für unbedingt erforderlich halten für eine Verbesserung der Ratsposition. Eine "gute Richtlinie", die Softwarepatente effektiv ausschließen würde, wäre dem FFII zwar am liebsten. Auch ein "Nein" der Parlamentarier betrachtet Pilch angesichts der Umstände aber als ein akzeptables Endergebnis.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)