EU kann sich nicht auf Direktive zum Schutz geistigen Eigentums verständigen

Der Rechtsausschuss hat die Entscheidung über die zweite Direktive zum effektiven Schutz geistigen Eigentums erneut verschoben. Die EU-Parlamentarier streiten weiterhin über die Beschränkung auf kommerzielle Piraterie.

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Von
  • Monika Ermert

Zum dritten Mal hat der Rechtsausschuss des EU-Parlaments gestern die Entscheidung über den Kommissionsvorschlag für eine Direktive zum effektiven Schutz geistigen Eigentums verschoben. Die neue Direktive war von der Kommission als Ergänzung der 2004 verabschiedeten umstrittenen Durchsetzungsrichtlinie (Intellectual Property Rights Enforcement Directive, IPRED) eingebracht worden und wird genau so kontrovers diskutiert. Waren die ersten beiden Verschiebungen nach Informationen aus Brüssel noch der Krankheit der zuständigen Berichterstatter beziehungsweise einer Bitte um Aufschub durch die konservative Fraktion im Parlament geschuldet, fürchtete der Rechtsausschuss diesmal um eine Mehrheit für den weiterhin umstrittenen Text. Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) begrüßte die erneute Verschiebung der Abstimmung und sprach von einem klaren Signal an die Kommission, den Vorschlag entweder zurückzuziehen oder komplett zu überarbeiten.

Im Zentrum des Streits steht die Beschränkung der Maßnahmen auf Urheberrechtsverletzungen mit "kommerzieller" Absicht. "Die Zeit reichte nicht aus, um einen Kompromiß zu finden, wie 'gewerblich' rechtlich zu definieren ist", erlärte Rainer Wieland (EVP/CDU), Vize-Vorsitzender des Rechtsausschusses, der auch als Berichterstatter im Innenausschuss fungierte, gegenüber heise online die erneute Verschiebung. Während ein Kompromissvorschlag des federführenden Berichterstatters Nicola Zingaretti (PSE) bei der EVP-Fraktion auf Widerstand stieß, will die Fraktion der Sozialdemokraten und Sozialisten dem von den Konservativen bevorzugten ursprünglichen Kommissionstext nicht zustimmen. Bis zur nächsten Sitzung des Rechtsausschusses muss nun neu verhandelt werden.

Der von der PSE abgelehnte ursprüngliche Entwurf verzichtet weitgehend auf eine Definition der "gewerblichen Urheberrechtsverletzung"; Zingarettis Vorschlag sah dagegen eine deutlichere Ausnahme für private Nutzer vor. "Die Direktive zielt auf jede kommerzielle und absichtsvolle Verletzung von geistigem Eigentum. In diesem Sinne sollte sie Verbraucher und private Nutzer nicht erfassen, es sei denn, sie verletzen solche Rechte in einem kommerziellen Ausmaß", hatte Zingaretti im Vorfeld der Abstimmung auf Anfrage von heise online mitgeteilt. Ihm gehe es darum, vor allem die "großen illegalen Piraterieunternehmungen" in den Griff zu bekommen. Dagegen hatten mehrere Mitglieder des Parlaments, darunter auch die treibende Kraft hinter der ersten Direktive (IPRED1), Janelly Fortou, mit Änderungsanträgen die Beschränkung auf kommerzielle Verstöße aus dem Text streichen wollen. Auch der deutsche Abgeordnete Klaus-Heiner Lehne (CDU) hatte so einen Antrag eingebracht, wollte damit aber nur die Diskussion des Themas sicherstellen. "Ich habe zurzeit die Absicht, den Antrag zurückzuziehen", so Lehne.

Auch nach Wielands Meinung soll die Beschränkung auf "gewerbliche Verstöße" auf jeden Fall beibehalten werden. Doch müssten die unterschiedlichen Definitionen eines gewerblichen Verstoßes in den Gesetzen der verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten in der Direktive behandelt werden. Wieland erklärte, er gehe trotz der jetzigen Schwierigkeiten davon aus, dass die Direktive kommen werde. Für Jonas Maebe von der FFII dagegen sorgt die erneute Verschiebung erst einmal für noch mehr Aufmerksamkeit für ein "furchtbares Stück Gesetzgebung". Praktisch jeder Industrie-, Verbraucher- oder Juristenverband sowie andere NGOs hätten sich gegen den Vorschlag ausgesprochen. Lediglich der Europäische Verband zum Schutz verschlüsselter Werke und Dienste (AEPOC), die International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) und die European Brands Association (AIM) befürworten den Vorschlag.

"Ganz abgesehen von den Interessensgegensätzen hat die Richtlinie enorm viele handwerkliche Fehler", sagt auch André Rebentisch von der Organisation Patentfrei. Der Text in der vorliegenden Form widerspreche verschiedenen anderen EU-Regelungen, etwa im Bereich des Verbraucherschutzes. Gegner von Softwarepatenten hatten überdies mit Sorge beobachtet, dass in einer Reihe von Änderungsvorschlägen für den Rechtsausschuss Patente mit wenigen Ausnahmen zwar ausgeschlossen worden waren, dafür aber der Gebrauchsmusterschutz aufgeführt war. Wieland, dem vorgeworfen war, sich für die ganze Palette von Verstößen gegen das geistige Eigentum auszusprechen sagte, er sei vielmehr für eine klare Definition eines Katalogs. "Bei der Frage, ob Patente drin sein sollen, bin ich aber leidenschaftslos. Die Mehrheit im Rechtsausschuss soll einfach entscheiden, was genau drin ist."

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Monika Ermert) / (vbr)