Wikipedia berät über künftige Verteilung von Spendeneinnahmen

Der Stiftungsrat der Wikimedia Foundation hat die Bildung eines neuen Gremiums zur Verteilung der Geldmittel beschlossen, die künftig unabhängig vom Ursprungsort vermehrt in bedürftige Regionen fließen sollen.

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Von
  • Torsten Kleinz

Die Organisationen hinter der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia formen sich um. Vergangenes Wochenende hat der Stiftungsrat der Wikimedia Foundation die Bildung eines neuen Gremiums zur weltweiten Verteilung von Spendenmitteln beschlossen. Die meist national organisierten Chapter haben im Gegenzug eine neue Vereinigung gegründet, die ihre Interessen auch gegenüber der Wikimedia Foundation vertreten soll. Zentrale Frage ist, wie die Millioneneinnahmen der jährlichen Spendenkampagne auf Wikipedia verteilt werden sollen.

Zu der Wikimedia Conference hatten sich am Wochenende in Berlin Wikipedia-Aktivisten aus 40 Ländern versammelt. Gleichzeitig tagte der Stiftungsrat der Wikimedia Foundation. Im Vorfeld der jährlichen Konferenz war es zu Spannungen bezüglich der Verteilung der Einnahmen aus der jährlichen Spendenkampagne gekommen. Die Wikimedia Foundation will mehr Geld in Ländern ausgeben, deren Wikipedia-Communities weniger erfolgreich sind als in den Industrieländern.

In einer Funds Dissemination Committee:Resolution hat der Stiftungsrat der US-Stiftung nun die Einrichtung eines „Funds Dissemination Committee“ (FDC) beschlossen, das in Zukunft Empfehlungen zur Vergabe der Spendenmittel geben soll. Bei der jüngsten Kampagne nahmen die verschiedenen Wikimedia-Organisationen insgesamt mehr als 28 Millionen US-Dollar (derzeit 21 Millionen Euro) ein.

„Mit dem FDC steuern wir weg von einer Situation, in der die Investitionen in einem Land an das dortige Spendenaufkommen gebunden sind“, begründet Stiftungsrat-Mitglied Samuel Klein in einem Interview den Schritt zu dem neuen Modell. Derzeit würden über 90 Prozent der direkten Investitionen in Wikimedia-Projekte unmittelbar aus den USA gesteuert. Stiftungsratsmitglied Arne Klempert ergänzte im Gespräch mit heise online: „Ich hoffe, dass wir in Zukunft das Geld dort einsetzen können, wo es die größte Wirkung entfaltet.“ Gleichzeitig erwartet er eine größere Verlässlichkeit bei der Finanzierung. Angst um ihre Budgets müssten die bisher erfolgreichen Chapter nicht haben: „Ich sehe im Augenblick keinen Anlass zu glauben, dass es hier größere Änderungen geben wird“, sagte Klempert.

Hatten vor zwei Jahren noch über zehn Wikimedia-Chapter das Recht, Spenden selbst per Wikipedia einzuwerben, war die Anzahl zuletzt auf vier Länderorganisationen reduziert worden. Dabei soll es auch bleiben, wie der Stiftungsrat in einer weiteren Resolution beschlossen hat: Frühestens 2015 will das Gremium neue Chapter zulassen. Die Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation, Sue Gardner, will hingegen alle Spenden zentral einwerben.

Pavel Richter, Geschäftsführer von Wikimedia Deutschland, begrüßt den Beschluss gegenüber heise online. „Die Chapter haben sich in dem Punkt weitgehend durchgesetzt.“ Dennoch sei es nicht verständlich, warum nicht mehr Chapter das Recht bekämen, auf Wikipedia um Spenden zu werben. Dem schließt sich Ziko van Dijk, Vorsitzender von Wikimedia Niederlande an. Sein Chapter ist an der jährlichen Spendenkampagne nicht beteiligt. „Für den Aufbau dauerhafter Beziehungen zu den Spendern wäre es dringend notwendig, dass Wikimedia Niederlande am Spendensammelprozess beteiligt wäre. Dies kann der Verein in den Niederlanden vor Ort besser als eine Stiftung im fernen Kalifornien“, erklärt van Dijk. Dass die Wikipedia Foundation nun bis 2015 keinen anderen Chaptern direkten Zugang zu Spenden geben will, enttäuscht ihn. Die Wikimedia-Chapter sind gehalten, eigene Einnahmequellen wie Mitgliedsbeiträge zu finden. Für ihre darüber hinausgehenden Aktivitäten können sie bisher Mittel der Wikimedia Foundation beantragen.

In Berlin haben Vertreter von insgesamt 30 Chaptern eine eigene Interessenvertretung, die Wikimedia Chapters Association, gegründet. Diese neue Organisation soll in Zukunft die Zusammenarbeit der regionalen Gliederungen verbessern und die Interessen auch gegenüber der Wikimedia Foundation vertreten. Auch bei Budgetentscheidungen wollen die Chapter mitreden – auf welchem Wege, ist jedoch noch unklar. Sowohl das Funds Dissemination Committee als auch die Wikimedia Chapters Association müssen bis zur weltweiten Wikimedia-Konferenz Wikimania im Juli in Washington D.C. weiter ausgearbeitet werden.

Mehr informationen zum Thema im Beitrag Zentralisierung oder Selbstverwaltung aus c't 4/2012 (ssu)