Abwerbung von Mitarbeitern

Wenn eine Führungskraft den Arbeitgeber wechselt, folgen ihm oft auch einige seine Mitarbeiter. Betroffene Unternehmen können allerdings kaum etwas dagegen unternehmen.

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Von
  • Marzena Sicking

Vielleicht ist man sich über die Strategie des Unternehmens nicht einig, vielleicht lockt ein besseres Angebot: Die Führungskraft wechselt den Arbeitgeber und geht ausgerechtet zur Konkurrenz. Doch nicht nur das: Plötzlich kündigen auch einige seiner bisherigen Mitarbeiter und folgen dem bisherigen Chef in das andere Unternehmen. Für die betroffene Firma kann das durchaus zum Problem werden, weil die Fachkräfte weg sind. Dagegen vorzugehen, dürfte aber schwierig sein, wie der Berliner Rechtsanwalt Alexander Bredereck erklärt.

Ist das Abwerben von Mitarbeitern durch Dritte grundsätzlich erlaubt?

Bredereck: Grundsätzlich ja. Es gehört zum freien Wettbewerb, dass man sich auch bei Wettbewerbern Arbeitskräfte "besorgen" darf. Nur die Art und Weise der Abwerbung ist reglementiert.

Alexander Bredereck, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

(Bild: Alexander Bredereck)

Alexander Bredereck arbeitet seit 1999 als Rechtsanwalt und seit 2005 als Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Bredereck Willkomm Rechtsanwälte in Berlin. Er ist Vorstand der Verbraucher- zentrale Brandenburg e.V. sowie Mitglied im Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte e.V. und Mitglied im Arbeitskreis Arbeitsrecht im Berliner Anwaltsverein e.V. Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Fachanwalt für Arbeitsrecht ist die Vertretung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Kündigungsschutzprozessen. Kontakt und weitere Informationen: Fachanwalt@Arbeitsrechtler-in.de

Der Abteilungsleiter eines Unternehmens wechselt zur Konkurrenz. Er würde gerne einige Leute aus seinem alten Team mitnehmen. Darf er sie direkt ansprechen?

Bredereck: Solange er sich noch in einem laufenden Arbeitsverhältnis befindet, riskiert er die fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber und die Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen. Allerdings sind derartige Schadensersatzansprüche regelmäßig schwer durchsetzbar, da die betroffenen Unternehmen den Schaden nur schwer darlegen können.

Lange wurde darüber debattiert, ob Headhunter die gewünschten Kandidaten auch an ihrem aktuellen Arbeitsplatz anrufen dürfen. Wie ist hier die aktuelle Lage?

Bredereck: Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs darf der Headhunter einen ersten und einzigen Versuch der Kontaktaufnahme am Arbeitsplatz unternehmen. Er muss sich hier aber auf zwingend notwendige Mitteilungen beschränken. Er darf also einmal anrufen, sich kurz vorstellen, den Zweck seines Anrufs mitteilen und fragen ob der Angerufene an einer Kontaktaufnahme an sich grundsätzliches Interesse hat. Wird dies bejaht, darf ein weiterer Kontakttermin außerhalb des Unternehmens vereinbart werden. Zusammengefasste kann man also sagen, ein kurzer Anruf um das Interesse zu erkunden und eine Vereinbarung für einen weiteren Termin sind zulässig. Alles was darüber hinausgeht könnte schon problematisch sein. Der bisherige Arbeitgeber kann dagegen gerichtlich vorgehen.

Und bei Abwerbemaßnahmen im Privatbereich?

Bredereck: Hier kann der bisherige Arbeitgeber nichts unternehmen. Der Umworbene kann sich natürlich gegen allzu lästige Verfolgung durch Headhunter wehren.

Der Gesetzgeber verbietet allerdings Abwerbeversuche mit verwerflichen Mitteln oder Methoden. Was genau hat man sich darunter vorzustellen?

Bredereck: Beim Anruf am Arbeitsplatz fast alles, was über die oben beschriebene erste Kontaktaufnahme und deren zulässigen Inhalt hinausgeht. Überredungsversuche oder weiterreden trotz erklärtem Desinteresse des Abzuwerbenden sind im Rahmen des Erstkontaktes ebenso unzulässig, wie anpreisende Beschreibungen des eigenen Unternehmens.

Bei Abwehrversuchen im Privatbereich des Arbeitnehmers ist alles erlaubt?

Bredereck: Nein. Auch hier gibt es Grenzen. So ist es z.B. untersagt, die Freistellung von etwaigen Schadensersatzansprüchen des bisherigen Arbeitgebers zu erklären oder ihn zu den bisherigen Arbeitgeber schädigenden Handlungen anzustiften. Man darf den Umworbenen auch nicht vorsätzlich zum Vertragsbruch bei seinem bisherigen Arbeitgeber verleiten.

Was kann bei entsprechenden Verstößen drohen?

Bredereck: Das geschädigte Unternehmen kann unter anderem Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, aber auch Schadensersatzansprüche geltend machen. Soweit man (ehemaliger) Vertragspartner war, kommt bei entsprechender Vereinbarung auch eine Vertragsstrafe in Betracht. Das gilt also insbesondere für die abgeworbenen Arbeitnehmer. Die Unterlassungsansprüche können wegen der Eilbedürftigkeit im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden.

Nehmen wir einmal an, der ehemalige Abteilungsleiter schafft es tatsächlich, sein gesamtes altes Team mitzunehmen. Wird sein ehemaliger Arbeitgeber und jetziger Wettbewerber damit nicht in unzulässiger Weise behindert?

Bredereck: Unzulässig ist ein Abwerben mit dem Ziel einer Behinderung und Schädigung des bisherigen Arbeitgebers und Wettbewerbers. Allerdings liegt das noch nicht bei jeder planmäßigen Handlung vor. Unzulässig ist ein Abwerben mit dem Ziel einer Behinderung und Schädigung des Wettbewerbers. Bei der Frage, ob dieses vorliegt wird von der Rechtsprechung aber auch geprüft wie viele Mitarbeiter abgeworben wurden und welche Bedeutung diese jeweils für das Unternehmen hatten. Regelmäßig lässt sich die gezielte Behinderungs- und Schädigungsabsicht in der Praxis nur schwer beweisen.

Ist eine Abwerbung mit dem Ziel an Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse herauszubekommen zulässig?

Bredereck: Es liegt in der Natur der Sache, dass man zusammen mit den abgeworbenen Mitarbeitern auch an Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Wettbewerbers gelangt. Liegen allerdings besonders schwerwiegende Umstände vor, kommt es also dem abwerbenden Unternehmen darauf an, den Wettbewerber zu schädigen, bzw. nachhaltig auszubeuten, kann eine solche Abwerbung auch gemäß § 4 Nr. 10 UWG unlauter und damit unzulässig sein.

Welche Möglichkeiten haben Unternehmen, ihre Mannschaft gegen Abwerbeversuche von Dritten zu schützen?

Bredereck: Zunächst einmal gilt grundsätzlich der freie Wettbewerb. Unternehmen tun also gut daran, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die Arbeitnehmer gerne bleiben. Da die meisten Arbeitnehmer eine gewisse Bindung zu ihrem Arbeitgeber aufbauen, ist die Wechselfreudigkeit regelmäßig gar nicht so groß. Im Übrigen kann der Arbeitgeber natürlich auch zur Abschreckung Vertragsstrafen, nachvertragliche Wettbewerbsverbote und ähnliche restriktive Maßnahmen im Arbeitsvertrag vereinbaren. Hier sind allerdings Formvorschriften zu beachten. Da letztlich auch immer Grundrechte des Arbeitnehmers betroffen sind, ist z.B. die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nur gegen Zahlung einer Karenzentschädigung wirksam. (gs)
(masi)