Der googlebare Fernseher

Das Start-up Boxfish will TV-Inhalte durchsuchbar machen. Videos müssen allerdings noch draußen bleiben.

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Von
  • Rachel Metz

Das Start-up Boxfish will TV-Inhalte durchsuchbar machen. Videos müssen allerdings noch draußen bleiben.

Eine Suchmaschine wie Google oder Bing hilft dabei, Inhalte im Web aufzufinden – von den Lebensgewohnheiten der Nilpferde über den besten Preis für ein neues Notebook bis hin zur Online-Wegbeschreibung. Doch was, wenn man wissen möchte, wann die Sängerin Beyonce das letzte Mal im Fernsehen erwähnt wurde?

Ein neues Internet-Start-up namens Boxfish will hier künftig helfen. Die Firma aus dem kalifornischen Palo Alto hat Ende März mit einer öffentlichen Betaphase ihres Dienstes begonnen, bei dem Nutzer nach Wörtern und Sätzen suchen können, die in den letzten Monaten im englischsprachigen Fernsehen vorkamen. Ebenso nachlesbar ist, welche Begriffe gerade besonders häufig vorkommen ("Trending"). Wer möchte, kann sich außerdem informieren lassen, sobald bestimmte Worte häufiger auftauchen – hier ließ sich Boxfish vom Google-Dienst "Alerts" inspirieren.

Hinter Boxfish stehen Eoin Dowling und Kevin Burkitt, die ursprünglich aus Irland stammen und ihre erste Online-Firma im Jahr 2007 erfolgreich verkaufen konnten. Als Dowling vor einigen Jahren in London lebte und seiner schwerhörigen Mutter beim TV-Schauen mit Untertiteln zusah, kam er auf die Idee, diese für einen neuen Dienst zu nutzen. "Ich dachte mir: All diese Worte referenzieren ja, was gerade passiert. Wie würde Fernsehen aussehen, wenn es nur aus Textströmen bestünde?"

Das war Ende 2010 und Dowling und Burkitt verbrachten das nächste Jahr über damit, Boxfish zu entwickeln. Die Technik ist relativ einfach: Die Server empfangen TV-Signale über Antennen-Tuner und Kabel-TV-Boxen und lesen dann die Untertitel aus, die mittlerweile bei den meisten Sendungen mitgeliefert werden. Die Untertitel werden wiederum in Echtzeit in einen Index eingespeist, der es erlaubt, den aktuellen Dialog sofort zu durchsuchen.

Derzeit erschließt Boxfish Kanäle aus den USA, Großbritannien und Irland. Das entspreche ungefähr dem, was man mit einem normalen Kabelabo erhalte, sagt Dowling – die größten Sender sind ebenso darunter wie einige Lokalsender. Boxfish will sein Angebot bald auf Australien und Kanada ausdehnen, legt den größten Fokus derzeit aber auf den US-Markt, wo möglichst alle Kanäle erfasst werden sollen.

Im Vorfeld des US-Präsidentschaftswahlkampfes hatten Dowling und sein Team eigentlich erwartet, dass die Suchanfragen nach Politikern wie Rick Santorum, Barack Obama oder Mitt Romney zunehmen würden. Tatsächlich seien Nutzer aber stärker daran interessiert, was Promis wie Lady Gaga so trieben. Das Boxfish-Geschäftsmodell ähnelt dem von Google: Der Dienst will zu den Suchergebnissen passende Anzeigen einblenden. Dazu muss man allerdings zunächst genügend Nutzer ansprechen – wie viele Menschen Boxfish derzeit schon besuchen, verrät Dowling nicht.

Die Website ist sehr einfach zu benutzen. Gibt man ein Wort oder einen Satz ein, erhält man eine Ergebnisliste in chronologischer Reihenfolge. Diese listet auch das Textumfeld, in dem die gewünschte Begrifflichkeit auftaucht. Auf der rechten Seite des Bildschirms kann man außerdem sehen, wie häufig der Suchtext in letzter Zeit von den Nutzern nachgefragt wurde und wie viele Kanäle ihn benutzt haben. Außerdem lässt sich erfahren, welche Begriffe normalerweise in einem ähnlichen Kontext verwendet werden. Klickt man auf ein bestimmtes Suchergebnis, erhält man einen größeren Teil der Untertitelmitschrift, in der der verwendete Begriff markiert ist.

Boxfish könnte allerdings noch etwas Politur vertragen. Derzeit sind die Ergebnisse noch relativ verwirrend, weil sie sowohl den Text von Inhalten als auch den von Werbung enthalten. Zudem ist es schwer, verschiedene Sprecher zu unterscheiden – Texte gehen häufig ineinander über. Boxfish arbeitet laut Dowling derzeit daran, die Suchergebnisse klarer zu gestalten. Außerdem soll man künftig erkennen können, wann Werbung läuft und wann eine Sendung.

Was Boxfish derzeit allerdings nicht plant, ist Nutzern die Möglichkeit zu geben, gleich Videos zu betrachten. Dowling zufolge gibt es derzeit zwar Gespräche mit Sendern, mit denen langfristig zusammengearbeitet werden soll. Würde man aber Videoschnipsel anbieten, wäre dies eine Verletzung der Urheberrechte.

Suranga Chandratillake, Gründer und Chef des Konkurrenten Blinkx, der Nutzern erlaubt, Videos zu durchsuchen und auch zu betrachten, hält das für einen großen Nachteil. Es sei zwar interessant, Dialoge zu erfassen. Doch die Leute wollten dann auch die Videos ansehen, in denen diese Inhalte vorkämen. "Wenn man es nicht ansehen kann, fällt der Hauptgrund weg, warum man überhaupt sucht." Dowling sieht das naturgemäß anders. Seiner Meinung nach sind die Untertitel ein neuer Datenstrom, der bislang noch nicht sinnvoll ausgewertet wird. "Die Leute können dann damit machen, was sie möchten." (bsc)