One Laptop per Child: Wenig Nutzen für die Schüler?

Eine groß angelegte Studie an 319 Grundschulen in Peru hat nur geringe positive Auswirkungen der XO-Laptops nachweisen können.

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Von
  • Dr. Oliver Diedrich

XO-Laptop des OLPC-Projekts

Als Nicholas Negroponte 2005 seine Idee eines 100-Dollar-Laptops für die Schulen in Entwicklungsländern vorstellte, gab es viel Zustimmung. Negropontes Idee schien eine Strategie zu liefern, um die "digitale Kluft" zwischen den Industrieländern des Nordens und den Ländern der dritten Welt zu schließen. Negroponte selbst sieht seine Inititiave One Laptop per Child als Bildungs-, nicht als Technologieprojekt: Nur per Bildung sei Armut und Konflikten beizukommen, und die XO-Laptops sollen ihren Beitrag dazu leisten.

Jetzt hat eine groß angelegte Studie der Inter-American Development Bank (IDB) an 319 Primärschulen in Peru (erste bis sechste Klasse, für alle Kinder verpflichtend) mit rund 20.000 Schülern untersucht, wie sich die Ausgabe der XO-Laptops an die Schüler auswirkt. 209 der untersuchten Schulen wurden im Rahmen des Projekts One Laptop per Child ab 2008 mit XO-Laptops ausgestattet; 110 Schulen, die nicht an dem Programm teilnahmen, dienten als Kontrollgruppe.

Wie gewünscht verbesserten die XO-Laptops die Computerausstattung der Schulen erheblich: An den XO-Schulen gab es im Schnitt 1,2 Computer pro Schüler, 87 Prozent der Schüler hatten einen eigenen Computer. An den Schulen, die nicht am OLPC-Programm teilnahmen, mussten sich neun Schüler einen Computer teilen, und nur 9 Prozent der Schüler besaßen einen eigenen Rechner.

Auch das Ausmaß der Computernutzung steigerte sich deutlich: Über 80 Prozent der Schüler an den XO-Schulen benutzten mindestens einmal pro Woche einen Computer in der Schule, gut 40 Prozent zu Hause – nicht alle Schulen erlaubten, dass die Schüler die Laptops mit nach Hause nahmen. Von den Schülern ohne XO-Laptop verwendeten lediglich 32 Prozent in der Woche vor der Befragung einen Computer in der Schule; zu Hause wurde ein Computer nur von 4 Prozent benutzt. Immerhin 18 Prozent der XO-Schüler hatten schon einmal das Internet benutzt, in der Kontrollgruppe lag dieser Wert bei 11 Prozent – keine der untersuchten Schulen verfügte über einen Internet-Zugang.

Am häufigsten nutzen die Laptop-Schüler Standardanwendungen wie Textverarbeitung und Taschenrechner (45 Prozent der Zeit), gefolgt von Spielen (18 Prozent), Musik (14 Prozent), Video (8 Prozent), Programmieren (5 Prozent) und der lokal installierten Wikipedia-Anwendung (4 Prozent). Dabei zeigten sie sich im Umgang mit den XO-Laptops recht kompetent.

Anonsten konnten jedoch kaum positive Effekte nachgewiesen werden: Weder besuchten die Schüler mit XO-Laptops regelmäßiger den Unterricht, noch verbrachten sie mehr Zeit mit Lesen – es bestand die Möglichkeit, am Computer Bücher zu lesen – und ihren Hausaufgaben. Auch zeigten sich die XO-Schüler nicht motivierter als die Kontrollgruppe. Die These, dass die Laptops das Interesse der Schüler am Unterricht erhöhen, hat sich in dieser Studie nicht bestätigt.

Weder in einem Mathematiktest noch in einem Test der sprachlichen Fähigkeiten schnitten die XO-Schüler besser ab als die Schüler ohne Laptop. Die Forscher erklären diesen Befund damit, dass die XO-Laptops zum einen nicht zu mehr Interesse an der Schule geführt haben, und dass zum anderen auf den Geräten keine Software installiert war, die sich speziell auf die Unterrichtsinhalte bezog. Immerhin zeigten sich in allgemeinen Intelligenztests bei einigen Teilaufgaben etwas bessere Leistungen der XO-Gruppe.

Die Forscher weisen darauf hin, dass das OLPC-Programm in den untersuchten Schulen nicht vollständig umgesetzt wurde: Weder durften alle Schüler ihre XO-Laptops mit nach Hause nehmen, wie es das OLPC-Konzept vorsieht, noch gab es den ebenfalls eingeplanten Internet-Zugang für die Geräten. Allerdings zeigten sich in der Studie kaum Unterschiede zwischen Schülern, die ihre Laptops mitnehmen durften, und Schülern, die die Geräte in der Schule lassen mussten; und auch von dem Zugang zum Internet erwarten die Wissenschaftler aufgrund anderer Studien keinen positiven Effekt. Wichtiger wäre ihrer Meinung nach Übungssoftware für die in der Schule behandelten Themen.

Allerdings, so ihr Resümee, dürfte es vor allem in armen Ländern mit niedrigen Lehrergehältern effektiver sein, das Geld nicht in teure Technikprogramme, sondern in "enfache" Maßnahmen wie eine Verkleinerung der Klassen und professionelle Ausbildung zu stecken.

In der Inter-American Development Bank haben sich zahlreiche Länder überwiegend aus dem lateinamerikanischen und karibischen Raum zusammengeschlossen, um gemeinsam Entwicklungsprojekte zu finanzieren. Ziel der IDB ist es, Armut und Ungleichheit in Lateinamerika und dem karibischen Raum zu vermindern.

Quellen:

Julián P. Cristia, Pablo Ibarrarán, Santiago Cueto, Ana Santiago, Eugenio Severín (2012): Technology and Child Development: Evidence from the One Laptop per Child Program

(odi)