Biometrische Gesichtskontrolle für die Fußball-EM 2008 geplant

In der Schweizer Bundeshauptstadt Bern beginnt am heutigen Freitag ein "biometrischer Feldversuch" in der Bern Arena des Schlittschuhclubs Bern. Mittelfristiges Ziel ist ein einsatzbereites System für die Stadien der Fußball-EM 2008.

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Von
  • Tom Sperlich

In der Schweizer Bundeshauptstadt Bern beginnt am heutigen Freitag ein "biometrischer Feldversuch" in der Bern Arena des Schlittschuhclubs Bern (SCB). Die Gesichter aller Zuschauer werden an den Eingängen des Stadions von Videokameras aufgenommen und mit einer Hooligan-Datenbank verglichen. In dieser sind heute noch die Bilder von 100 SCB-Fans gespeichert, die freiwillig an dem Versuch teilnehmen.

Drei verschiedene Phasen biometrischer Kontrolle bei einem Stadionbesuch sollen mit dem Test untersucht werden:

  • Einlassphase: Eine fest montierte Kamera filmt die Besucher kurz vor dem Einschieben des Tickets. Bei einem Stadionverbot soll der Sicherheitsdienst dem Fan am Betreten des Stadions hindern.
  • Spielphase: Eine drehbare, so genannte Domkamera nimmt von unten, beim Eis, die Gesichter des Publikums auf. Die Identifikation erfolgt während des Spiels, bei Zwischenfällen wird das Gesichtsbild gespeichert, die Zuschauer können beim Auslass kontrolliert und das Material gegebenenfalls zur Beweisführung genutzt werden.
  • Auslassphase: In ihr kommt eine mobile Kamera mit Funkverbindung zum Einsatz, die Gesichtserkennung erfolgt beim Auslass und im Bedarfsfall steht das Material wiederum zur Beweisführung zur Verfügung.

Mit dem Pilotprojekt wollen die Projektpartner, der IT-Dienstleister Unisys Schweiz, der Schlittschuhclub Bern und der Sicherheits-Dienstleister Broncos Security, herausfinden, ob Gesichererkennung in Stadien im praktischen Einsatz funktioniert. Untersucht wird, wie hoch die Trefferquote bei Identifikationen ist, wie viele Bilder der Sicherheitsverantwortliche am Bildschirm gleichzeitig betrachten kann und wie die Sicherheitsleute vor Ort aufgrund der Vorgänge dirigiert werden müssen.

Mittelfristiges Ziel des Versuchs ist gemäß Urs Schmied, Direktor Biometrie und Projektleiter bei Unisys, ein einsatzbereites System anbieten zu können, das von den Veranstaltern in den Stadien der Fußballeuropameisterschaft 2008 in der Schweiz und Österreich eingesetzt werden soll. Hooligans sollen so allzeit unter Kontrolle stehen, respektive erst gar nicht in die Stadien hineinkommen. Diese werden sich aber vermutlich einiges einfallen lassen, um die Security an den Eingängen zu überlisten. Daher sollen die Testfreiwilligen auch versuchen, sich unbemerkt Eintritt in das Stadion zu verschaffen.

Noch ist unklar, ob in der Schweiz eine solche generelle Gesichtererkennung aller in die Stadien strömenden Zuschauer überhaupt zum Einsatz kommen darf. Wie der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür erläutert, muss für die Erhebung biometrischer Daten im privaten Bereich entweder das Einverständnis der Betroffenen vorliegen oder ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse vorhanden sein. Da es sich um Freiwillige handle, sei das Einverständnis beim Pilotversuch gegeben. Wie es aber dereinst bei einer definitiven Einführung aussehen werde, könne er zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Das Schweizer Parlament, der Nationalrat, wird Mitte Dezember ein Gesetz gegen Gewalt an Sportveranstaltungen diskutieren und voraussichtlich verabschieden. Das Gesetz sieht auch die Möglichkeit der Einführung einer nationalen, zentralen Hooligan-Datenbank vor. Doch umstritten ist noch, ob das vorgesehene Gesetz eine allgemeine biometrische Kontrolle aller Stadionbesucher erlaubt. Für den Datenschutzbeauftragten Thür muss "für einen realen Einsatz von Biometrie in der Bern-Arena und auch an der Euro 2008 der Bund die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, unter denen jemand in eine Hooligan-Datenbank aufgenommen werden kann und unter denen ein Datenaustausch – zum Beispiel mit ausländischen Verbänden – datenschutzrechtlich korrekt erfolgen kann". (Tom Sperlich) / (jk)