Sony & Co.: Südkorea ist das neue Japan

Die japanische Industrie rutscht immer tiefer in die Krise. Der Schatten über dem Land der aufgehenden Sonne wird größer. Das liegt auch am Nachbarland Südkorea, dessen Unternehmen immer mehr an Weltgeltung gewinnen.Trauriges Paradebeispiel für den Niedergang der japanischen Wirtschaft: Sony.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber neuer Sony-Chef Kazuo Hirai,

Sony-Chef Kazuo Hirai

(Bild: Sony)

der Wirtschaftsforscher und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz sagte vergangene Woche in der Süddeutschen Zeitung über den harten Sparkurs in den südeuropäischen Euro-Ländern: "Es gibt weltweit nicht ein einziges Beispiel dafür, dass Kürzungen von Löhnen, Renten und Sozialleistungen ein krankes Land gesunden ließen.“ Es ist zu befürchten, dass dies – mutatis mutandis, wie der Lateiner sagt – auch für notleidende Unternehmen wie Sony gilt. Im Geschäftsjahr 2011/12 hat Sony nach vorläufigen Zahlen knapp fünf Milliarden Euro Verluste geschrieben, das vierte Jahr mit roten Zahlen in Folge. Mit anderen Worten: Es brennt, und zwar gewaltig.

Um das Ruder herumzureißen und in die Gewinnzone zurückzukehren, ist bei Sony Sparen angesagt. Unter anderem wollen Sie im Unternehmen 10.000 Stellen streichen (bereits in den vergangenen Jahren hatte Sony als Reaktion auf die weltweite Wirtschaftskrise 16.000 Arbeitsplätze geopfert). Ist das die Rettung? Kann sich Sony gesundschrumpfen? Ich fürchte, dass dies genauso schief gehen würde wie in Griechenland, Spanien, Portugal oder Italien. Die Frage ist nur: Was ist die Alternative?

Sony ist in meinen Augen nur ein Beispiel – wenn auch das für prominenteste – für den sich beschleunigenden Niedergang der japanischen Wirtschaft in den vergangenen Jahren insgesamt. Ob Sony, Sharp, Panasonic oder auch Toshiba in der Elektronikbranche oder Mazda, Mitsubishi, Toyota oder Honda in der Automobilindustrie – die japanische Wirtschaft spürt in allen Feldern heftigen Gegenwind und büßt weltweit an Bedeutung ein. Die Süddeutsche Zeitung nannte Japan in einer Schlagzeile jetzt schon das "Griechenland Asiens". Schuld an der Schieflage des Landes ist nicht nur die Naturkatastrophe im vergangenen Jahr sowie der starke Yen. Dazu dauert die Krise schon zu lang. Aber was ist dann der Grund? Kann es sein, lieber Herr Hirai, dass sowohl Sony wie auch Japan insgesamt unter dem Burnout-Syndrom leiden? Die Menschen sind ausgebrannt und müde, ihnen fällt nichts mehr ein, die Ideen fehlen, die frühere Dynamik ist dahin.

Japan fällt zurück, daran ist nicht zu rütteln. Das Land der aufgehenden Sonne liegt im Schatten, und dieser Schatten breitet sich immer weiter aus. Das liegt zum Teil auch daran, dass das Nachbarland Südkorea immer größer und mächtiger wird. Was früher Sony und Sharp waren, sind heute Samsung und LG, was früher Toyota und Honda, sind heute Hyundai und Kia. Meine These lautet daher: Südkorea ist das neue Japan.

Lieber Herr Hirai, Gesundschrumpfen durch Sparen, das allein kann nicht funktionieren, weder für Sony noch für Japan insgesamt. Wichtig sind eben auch Innovationen und Produkte, die auf dem Weltmarkt nachgefragt werden. Ich denke, das sehen Sie genauso wie ich. Und man muss sich Ziele setzen. Das haben Sie getan. Ambitionierte Ziele sogar. Sehr ambitionierte Ziele. So kündigten Sie in der vergangenen Woche unter anderem an, dass Sony unter Ihrer Führung zum Weltmarktführer bei Smartphones werden soll. Warum ist das ambitioniert? Weil Sony momentan, wie es jemand pointiert formulierte, "in der Rangliste der führenden Handy-Hersteller faktisch nur im Abspann auftaucht“.

Lieber Herr Hirai, klar, man muss Ziele haben, auch Visionen, aber man muss auch realistisch sein. So ein Satz wie der von der angestrebten Marktführerschaft ist schnell gesprochen, aber die Realisierung des Projekts ist ein langer steiniger Weg. Das ist in etwa so, wie wenn der Präsident von – sagen wir mal – Arminia Bielefeld erklären würde, sein Ziel sei der Gewinn der Fußball-Champions-League. Andererseits muss man auch sagen: Dass Griechenland einmal Fußball-Europameister werden würde (nämlich 2004), hätte vorher auch niemand für möglich gehalten.

Lieber Herr Hirai, sind Sie vielleicht der Otto Rehhagel von Sony?

Beste Grüße!

Damian Sicking

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