Erziehungswissenschaftler: Gesellschaft muss Gewalt im Internet ernster nehmen

Der Erfurter Wissenschaftler Burkhard Fuhs forderte, dass Eltern, Lehrer und Freunde Stellung beziehen und positive Internet-Angebote gefördert werden, warnte jedoch davor, eine gesamte Jugendkultur an den Pranger zu stellen.

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Von
  • dpa

Gewaltdarstellungen im Internet müssen nach Ansicht des Erfurter Erziehungswissenschaftlers Burkhard Fuhs ernster genommen werden als bisher. "Sie sind anders als alles das, was wir bisher hatten", warnte der Wissenschaftler in einem dpa-Gespräch. Mit "ein paar Klicks" könnten Jugendliche alle beliebigen Arten von Gewalt aufrufen. Verbote seien zwar wichtig und richtig, doch nur schwer durchzusetzen und wenig erfolgversprechend. Fuhs forderte, dass Eltern, Lehrer und Freunde Stellung beziehen und positive Internet-Angebote gefördert werden. "Es gibt viel zu wenig gute Angebote im Netz."

Fuhs warnte jedoch davor, eine gesamte Jugendkultur an den Pranger zu stellen. Genau wie Erwachsene, die den Fernsehkrimi "Tatort" sehen, könnten auch die meisten Jugendlichen zwischen Medienwelt und Realität unterscheiden. "Es gibt aber eine kleine Gruppe, die in einer Gewaltkultur lebt, Gewaltangebote exzessiv nutzt und den Bezug zur Realität verliert", sagte Fuhs. Ein Schutz der Jugend vor Gewaltdarstellungen lasse sich auch mit der Stärkung positiver Angebote erreichen. Spielen im Internet müsse generell als etwas Normales angesehen wird. "Es ist legitim, zu spielen – da gibt es nichts zu stigmatisieren." So habe Spielen auch positive Auswirkungen etwa auf Reaktion oder Gedächtnis.

Die meisten Kinder und Jugendlichen hätten laut Studien der Universität Erfurt gar kein Interesse an Gewaltspielen im Internet, berichtete Fuhs. "Die Mädchen gar nicht – auch bei den Jungen nur wenige." Dennoch nutzten 80 Prozent der Jugendlichen, die sich intensiv mit solchen Spielen im Internet beschäftigten, regelmäßig Angebote, die gar nicht für ihr Alter freigegeben seien. "Sie wollen sich damit vor allem interessant machen."

Der Erziehungswissenschaftler ist Vorsitzender des Vereins "Erfurter Netcode", der Qualitätssiegel für Internetseiten vergibt. Er wird bei der Europäischen Konferenz zum Thema "Das Internet als Forum für Jugendgewalt" in Meiningen referieren. (dpa) / (jk)