China ist Partnerland der Hannover Messe

Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt präsentiert sich ab 23. April mit mehr Ausstellern denn je auf einer Auslandsmesse. Nach Meinung der Veranstalter eröffnet der Aufschwung grüner Technologien in China gerade deutschen Firmen große Chancen.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Energiehungrig, aber zunehmend geizig mit "Seltenen Erden", jener für viele Elektronikprodukte unverzichtbaren Rohstoffe – so wird die Wirtschaftsmacht China in westlichen Industrienationen oft gesehen. In diesem Jahr ist die Volksrepublik Partnerland der Hannover Messe (23. bis 27. April 2012). Auf der "weltgrößten Industrieschau" nehmen mehr Firmen und Regionen aus dem Reich der Mitte teil als jemals zuvor an einer Ausstellung im Ausland.

Entsprechend hoch sind die Erwartungen der Organisatoren. Dank ihrer Spitzentechnologie habe die deutsche Wirtschaft "große Chancen, vom Aufstieg der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt zu profitieren", sagte der Vorstandschef der Deutschen Messe AG, Wolfram von Fritsch, der dpa. Inzwischen sei die Hannover Messe zu einer Messe für grüne Technologien ausgebaut worden: "Das passt eins zu eins zu dem neuen Fünf-Jahres-Plan der Chinesen."

1987, als China schon einmal Partnerland der Industriemesse war, galt die Volksrepublik noch als verlängerte Werkbank für Unternehmen im Westen und zugleich als Heimat dreister Produktfälscher. Ein Vierteljahrhundert später habe die deutsche Industrie begriffen, dass sich China "in einem Stadium befindet, in dem es auf Spitzentechnologie ankommt – und das kann die deutsche Wirtschaft besonders gut", streicht von Frisch die Chancen deutscher Aussteller heraus. Die hiesigen Unternehmer wüssten heute, dass China nicht nur ein guter Absatzmarkt ist, sondern auch mit Weltmarktführern in neuen Technologien wie Windenergie antreten kann. "Wenn man eine relevante Plattform bieten möchte – und das ist die Hannover Messe als größte Technologieschau der Welt –, dann geht das nicht ohne die Chinesen."

Als Beispiel dafür, wie China als Markt mit über 1,3 Milliarden Menschen Maßstäbe setzt, an denen andere Volkswirtschaften nicht vorbei kommen, nennt der Messechef die Elektromobilität: "Da denken die Deutschen typischerweise erst über Technologien und Erfindungen nach. China macht im Leapfrogging-Verfahren einfach einen neuen Markt auf. Sie sagen: Durch die schiere Masse, die wir an Elektro-Bikes, -Autos und -Bussen haben werden, werden wir ein relevanter Markt." (Mit Leapfrogging, was in etwa "Froschhüpfen" bedeutet, bezeichnen Ökonomen das Überspringen einzelner Schritte in einem Prozessablauf.)

Zur Hannover Messe, die am kommenden Montag ihre Pforten öffnet, rechnen die Veranstalter mit ungefähr 500 Ausstellern aus China. "Grüne Technologien" sollen die 2012er Auflage nicht nur an den China-Ständen sondern insgesamt prägen. Das Ausstellungsmotto "Green Intelligence" gehe dabei über klassische Umwelttechnik hinaus, kündigt von Fritsch an: "Viele Unternehmen stellen sich so auf, dass sie "grüne Intelligenz" nicht nur an einzelnen Punkten, sondern im gesamten Produktionsablauf umsetzen können. Dazu gehört bessere Automation, aber auch der umweltschonende Einsatz von Rohstoffen. Man denkt stärker in Kreisläufen – und die deutsche Industrie hat einen großen Vorsprung darin, diese Kreisläufe miteinander zu verknüpfen."

Abzuwarten bleibt, wie viele dieser grünen Ideen auf das Partnerland abfärben werden: China ist schon heute der größte Automobilmarkt der Welt. Luftverpestung und Mega-Staus haben zu Restriktionen bei der Zulassung von Neuwagen geführt. Inwieweit Elektromobile die CO2-Bilanz Chinas verbessern können, hängt wesentlich von der Art der Stromerzeugung ab. Derzeit ist die Volksrepublik der mit Abstand größte Steinkohleproduzent der Welt. Solange der Fahrstrom aus Kohlekraftwerken kommt, wäre die Ökobilanz eines E-Autos womöglich schlechter als die eines sparsamen Benziners oder Diesel.

Auch bei den Seltenen Erden, die für Mikrochips, Flachbildschirme oder leistungsfähige Autobatterien aus heutiger Sicht unverzichtbar erscheinen, spielen Umweltaspekte eine doppelbödige Rolle: Nachdem China jüngst einen Industrieverband gegründet hatte, um für die gefragten chemischen Elemente "vernünftige Preismechanismen" zu etablieren und dem Umweltschutz größeres Gewicht zu verleihen, warfen andere Industriestaaten, die auf Importe seltener Erden angewiesen sind, der Volksrepublik Preistreiberei vor. (ssu)