France Telecom kappt Verbindungen zum Konkurrenten Cogent

In Frankreich ist ein heftiger Streit zwischen den beiden größten IP-Carriern am Markt ausgebrochen; Leidtragende sind auch deutsche Kunden.

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Von
  • Holger Bleich

In Frankreich ist ein heftiger Streit zwischen den beiden größten IP-Carriern am Markt ausgebrochen. Am vergangenen Donnerstag, dem 14. April, kappte die France Telekom ohne Vorankündigung sämtliche Verbindungen ihres IP-Netzwerks zu dem des größten Konkurrenten Cogent. Seitdem können über Cogent angebundene, darunter auch eine Menge deutsche Kunden, den größten Teil der France-Telecom-Kundschaft nicht mehr erreichen.

Für große Internet-Carrier wie das US-amerikanische Unternehmen Cogent ist es überlebensnotwendig, möglichst viele Schnittstellen für ein- und ausgehenden Verkehr zur Konkurrenz zu schaffen (Interconnection). Dies erreichen sie beispielsweise, indem sie sich an öffentliche Netzknoten wie das deutsche DE-CIX anschließen.

Mindestens ebenso wichtig ist es, private Traffic-Austauschabkommen mit den Mitbewerbern zu treffen ("privates Peering"). Kommt ein solcher Vertrag zustande, schließen die Carrier ihre autonomen Netze (AutonomousSystem, AS) an einem oder mehreren Punkten meist kostenneutral zusammen. Wann und in welcher Form ein solcher Zusammenschluss zustande kommen kann, regelt jeder Carrier in einer meist öffentlich einsehbaren "Peering Policy".

Die France Telecom, nach wie vor fest in staatlicher Hand, wirft Cogent nun vor, gegen die Peering Policy verstoßen zu haben. In einer diesbezüglichen internen Mitteilung an Vertriebsmitarbeiter, die heise online vorliegt, erklärte die Konzernzentrale am 15. April knapp: "Gestern hat FT seine direkte Verbindung zu Cogent gekappt, weil sie gegen zwei Kriterien unserer Peering Policy verstoßen haben. Um Vergeltung zu üben, hat Cogent nun alle France-Telecom-IP-Adressen 'blackholed', um die Verbindung ihrer Kunden mit denen der France Telecom zu unterbrechen. Diese unilaterale Maßnahme verstößt gegen die Regeln der Internet-Community."

Im Gespräch mit heise online am heutigen Mittwoch zeigte sich Cogent-Chef Dave Schaeffer empört. Er könne nicht erkennen, wo sein Unternehmen plötzlich gegen die Peering Policy von France Telecom verstoßen haben solle. Vier Jahre lang habe das Peering reibungslos geklappt, der Traffic an den Austauschpunkten sei kontinuierlich gestiegen. Eine Vergeltungsmaßnahme zur France-Telekom-Aktion, wie sie in dem Mailing beschrieben wurde, habe es nicht gegeben: "Das ist schlicht Unsinn." Tatsache sei dagegen, dass die Cogent-Kunden unter der Aktion leiden, weil sie von Teilen des französischen Internet abgeschnitten seien.

Die europäische Carrier-Branche beäugt den rasant wachsenden Konkurrenten aus Übersee schon länger mit Argwohn (siehe dazu den c't-Artikel "Bosse der Fasern"). Der 1999 gegründete Provider stieg mit der Übernahme der US-amerikanischen Unternehmen PSInet dick ins Geschäft ein kaufte sich auch kräftig in den hiesigen Markt ein. 2004 verleibte man sich hierzulande das Netz von Carrier1, den deutschen Traditions-ISP Global Access und die Glasfasernetze von Lambdanet in Frankreich und Spanien ein. Cogent verfolgt eine radikale Discounter-Preispolitik, die Kunden zahlen bis zu zehnmal weniger für einen Breitband-Anschluss als beim Mitbewerb im jeweiligen Land.

Branchenkenner sehen genau darin auch den eigentlichen Grund für die Maßnahme von France Telecom. Die etablierten IP-Carrier wollen nicht mehr hinnehmen, dass Cogent die ohnehin stark bröckelnden Margen für IP-Traffic-Durchleitung kaputtmache. Auch Cogent-CEO Schaeffer mutmaßt: "Die Maßnahme von France Telecom hat zum Ziel, unsere Netzwerkqualität zu schwächen. Die Franzosen haben festgestellt, dass wir auf ihrem Heimatmarkt permanent stärker werden, ihnen mit besseren Preisen Kunden abluchsen und mittlerweile sogar zweitgrößter Carrier in Frankreich sind."

Fest steht: Leidtragende sind vor allem die Cogent-Kunden. In der Branche wird nun darüber spekuliert, ob France Telecom einen Domino-Effekt auslösen könnte. "Bisher hat sich keiner der Großen getraut, Cogent abzutrennen. Das könnte sich jetzt schnell ändern", mutmaßt ein Experte, der nicht genannt werden will. Im Gespräch sind die Carrier KPN Eurorings, Level3 und insbesondere die Deutsche Telekom. "Das würde tatsächlich eine ernsthafte Schwächung der Konnektivität unseres Glasfasernetzes bedeuten", erklärte Cogent-Chef Schaeffer. "Wir haben aber von der Deutschen Telekom bisher keinerlei diesbezügliche Signale erhalten." (hob)