WIPO: Domaingeschäft macht es Rechteinhabern schwer

Ein effektiver Schutz der Markenrechte im Internet wird angesichts des expandierenden und automatisierten Domainhandels zunehmend schwieriger, beklagte der Vize-Generaldirektor der World Intellectual Property Organisation (WIPO) heute in Genf.

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Von
  • Monika Ermert

Die World Intellectual Property Organisation (WIPO) sieht den Schutz von Marken- und Namensrechten durch neue Entwicklungen im Domaingeschäft immer stärker gefährdet. Die Möglichkeiten anonymer Registrierung von Domains, die automatische Massen-Registrierung von auslaufenden Domains, das so genannte "Domain Tasting" und "Domain Parking" und schließlich die Einführung neuer Adresszonen machten die Domains zu "beweglichen Zielen" für die Rechteinhaber, erklärte Francis Gurry, Vize-Generaldirektor der für das Geistige Eigentum zuständigen UN-Organisation, am heutigen Montag in Genf. Der WIPO-Vize hält es daher für gegeben, diesen Entwicklungen mit konkreten Regeln zu begegnen.

Bei dem jüngst viel kritisierten "Tasting" nutzen Domainhändler oder Registrare die von der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ([http//www.icann.org ICANN]) eingeführte 5-Tages-Frist, innerhalb derer eine Registrierung kostenlos bleibt. Über Parkseiten wird anschließend die mögliche Attraktivität der Seite getestet und gegebenenfalls unter neuem Namen erneut kostenfrei registriert. "Die Geschwindigkeit, mit der Domains von Hand zu Hand weitergereicht werden und die Unmöglichkeit, automatisierte Massenregistrierungen nachzuvollziehen, sind eine Herausforderung für die Inhaber der Markenrechte", so Gurry. Die WIPO-Schlichterpanels würden sich außerdem intensiv mit den zunehmend aufkommenden Proxy-Diensten beschäftigen. Für eine anonyme Registrierung könne es zwar gute Gründe geben, grundsätzlich gehe aber die so genannte "Uniform Dispute Resolution Policy"-Regel (UDRP) der ICANN davon aus, dass man des Domaininhabers auch habhaft werden könne, wenn eine Beschwerde vorliege.

Nach der WIPO-Statistik hat die Zahl der Schlichtungsfälle 2006 im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent auf 1823 Fälle zugenommen. In 84 Prozent der Dispute wurden den Beschwerdeführern die umstrittene Domain zuerkannt. Das sei die höchste Zahl seit 2000. Seit der Zulassung durch die ICANN im Jahr 1999 hat das Arbitration and Mediation Center 10.177 Fälle gemäß der UDRP angenommen. Daneben entschied die WIPO noch einmal rund 15.000 Fälle für diverse Sunrise-Phasen, etwa für .info, .biz, .name und neuerdings .mobi. Beim National Arbitration Forum, dem zweiten von ursprünglich vier UDRP-Schlichtungsstellen (eResolution und das International Institute for Conflict Prevention and Resolution haben jüngst aufgegeben), wuchs die Zahl der UDRP-Verfahren übrigens sogar um 21 Prozent auf 1658 Fälle im Jahr 2006. Deutlich ruhiger geht es bei den 47 von der WIPO als Schlichter betreuten nationalen Top Level Domain Name Registries zu. Bis zum Dezember habe man hier 496 Fälle angenommen, für die Beschwerdeführer wurde dabei in 273 Fällen entschieden, 52 für den Beschwerdegegner und 121-mal einigten sich die Parteien noch vor dem Schiedsspruch. Damit ergibt sich ein ganz anderes Bild als bei den globalen TLDs.

Die überwiegende Zahl der Beschwerden bei der WIPO kommt übrigens nach wie vor von US-Unternehmen und ist an US-Beschwerdegegner gerichtet. Als Kläger traten nach den USA am häufigsten französische, britische, deutsche, spanische und schweizerische Markeninhaber auf. Auf der Seite der mutmaßlichen "Cybersquatter" rangierten nach den USA, Großbritannien, China, Korea, Kanada, Spanien und Frankreich. Cybersquatter, so die WIPO, würden sehr genau aktuelle Marktentwicklungen beobachten und etwa rasch auf Firmenzusammenschlüsse oder aktuelle Verkaufsschlager reagieren. Um ihre Marke Tamiflu zu schützen, habe der Pharmariese Hoffmann-La Roche insgesamt 34 Beschwerden zu 64 einzelnen Domains bei der WIPO eingereicht. Insgesamt kamen laut WIPO-Pressemitteilung zahlreiche Beschwerden gerade aus dem Pharmabereich.

Die von ICANN seit Langem geplante Neueinführung von Adresszonen und auch die Einführung nicht-englischer Adresszonen wird nach Einschätzung der WIPO-Experten zu einer weiteren Zunahme des "Cybersquatting"-Problems führen. Die WIPO empfahl in einer Stellungnahme gegenüber ICANN mit Blick auf die anstehenden Erweiterungen der Namensräume im Internet ein einheitliches Verfahren zum Schutz von Markeninhabern beim Start der "Neuen". Bislang haben die unterschiedlichen Registries jeweils eigene Vorregistrierungsverfahren entwickelt. Bei einer Vervielfachung von Domains könnte ein einheitliches Verfahren aber für Zeit- und Kostenersparnis sorgen und für etwas weniger Verwirrung bei den Nutzern weltweit. (Monika Ermert) / (vbr)