Einsatz bewaffneter Drohnen verändert Kriegführung radikal

Unbemannte, bewaffnete Flugzeuge erobern das Schlachtfeld. Auch die Bundeswehr will solche Systeme einsetzen, sie aber nicht als „Drohnen“ bezeichnen, berichtet Technology Review.

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Unbemannte, bewaffnete Flugzeuge erobern das Schlachtfeld. Auch die Bundeswehr will solche Systeme einsetzen, sie aber nicht als „Drohnen“ bezeichnen, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe (seit Donnerstag am Kiosk oder direkt im heise Shop zu bestellen).

In etwa fünf Jahren soll die seit Sommer 2009 in Afghanistan eingesetzte Aufklärungsdrohne KZO („Kleinfluggerät Zielortung“) bewaffnete Gesellschaft bekommen. Der vom deutschen Waffenhersteller Rheinmetall drei Dutzend Mal gebaute Späher soll dann mit der neuen Kampfdrohne Harop gemeinsame Einsätze fliegen. Harop wurde von Israel Aerospace Industries (IAI) entwickelt, einem der weltweit führenden UAV-Anbieter.

Das zweieinhalb Meter lange und drei Meter breite Fluggerät ist mit 23 Kilogramm Sprengstoff beladen. Anders als bei herkömmlichen UAV (Unmanned Aerial Vehicle), die nach ihrem Einsatz zu ihrem Stützpunkt zurückkehren, hat Harop nur ein Einweg-Ticket: Die Drohne stürzt sich aus bis zu 4000 Metern Höhe auf das Schlachtfeld und rast mit einer Geschwindigkeit von 200 Metern pro Sekunde in Richtung Erde. Allein ihre kinetische Energie würde schon ausreichen, um beim Aufprall allerhand zu zerstören.

Natürlich ist Harop auch mit Sensoren bestückt, die der Leitzentrale am Boden stets den Flugweg und den Status der Drohne melden – dazu zählt ein System für die 360-Grad-Rundumsicht. Allerdings soll Harop immer von einem KZO begleitet werden, das für die Aufklärung und Identifikation der Ziele sowie das „damage assessment“ nach dem Einschlag von Harop zuständig ist.

Von offizieller Seite wird die Kombination von KZO und Harop als „Wirkmittel zur abstandsfähigen Bekämpfung von Einzel- und Punktzielen“ („WABEP“) bezeichnet. Omnid Nouripour, verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen nennt die Waffen schlicht „Kamikaze-Drohnen“. Christian Mölling, Rüstungs- und Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, hat grundsätzlich Verständnis für die Forderungen nach eigenen Kampfdrohnen. „Die Militärs möchten aber eine Debatte um Kampfdrohnen vermeiden, weil sich solche Diskussionen derzeit vor allem um die Frage drehen: Muss es sein, dass bei ihrem Einsatz unschuldige Hochzeitsgesellschaften vernichtet werden?“

Für TR-Autor Peter W. Singer ergeben sich solche „Kollateralschäden“ fast zwangsläufig. Denn jede vorangegangene militärtechnische Revolution brachte bislang Waffen hervor, die weiter (wie der Langbogen) oder schneller (wie das Maschinengewehr) schießen konnten bzw. eine größere Wirkung hatten (wie die Atombombe). Auch Roboter bringen solche Effizienzgewinne mit sich, aber sie verändern vor allem die Erfahrungen der Soldaten: Sie entfernen sich immer mehr vom realen Schlachtfeld und nehmen dank der Fernsteuerung den Krieg immer indirekter und nur als eine Art Videospiel wahr. Sie sind unter Umständen eher bereit, auf ihre weit entfernten Ziele zu schießen, als wenn sie persönlich die tödlichen Risiken eines Gefechts eingehen müssten.

Eine US-amerikanische Drohne des Typs Predator

(Bild: General Atomics Aeronautical Systems)

Als das US-Militär 2003 im Irak einmarschierte, verfügte es nur über eine Handvoll unbemannter und unbewaffneter Aufklärungsflugzeuge, am Boden hatte die Truppe überhaupt keine unbemannten mobilen Geräte. Heute gibt es in den Beständen der USA mehr als 7500 fliegende Drohnen wie den Predator („Raubtier“) und weitere rund 12000 unbemannte Fahrzeuge am Boden – etwa den „Packbot“, ein Produkt der Firma iRobot, die auch den Staubsaugerroboter „Roomba“ und den Bodenwischroboter „Scooba“ herstellt.

(wst)