Das Feel-Good-Upgrade

Software-Updates sind bereits üblich. Nun bietet Samsung auch an, die Hardware von Flachfernsehern durch den Einschub einer Chipkarte zu erneuern. Innovation oder Marketing-Trick?

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Von
  • Martin Kölling

Software-Updates sind bereits üblich. Nun bietet Samsung auch an, die Hardware von Flachfernsehern durch den Einschub einer Chipkarte zu erneuern. Innovation oder Marketing-Trick?

Seit Jahren plagt uns Kunden beim Erwerb kurzlebiger digitaler Hardware die Angst, dass die Geräte bereits beim Kauf – oder allerspätestens sechs Monate später – schon veraltet sind. Nun verspricht ein Hersteller, uns dieses Leiden zu nehmen: Samsung bietet bei seinen neuen "Smart TVs" nicht nur Software-, sondern regelmäßige Hardware-Updates an. Unter dem Marketingwort "Smart Evolution" soll der Kunde bei einige neuen Modellen jedes Jahr eine neue Chipkarte in einen Slot auf der Rückseite des Geräts schieben können, um so die Hardware auf dem technisch neuesten Stand zu halten. Und ich muss sagen, dass es sich um eine der interessantesten Mischungen aus Innovation und Marketing handelt, denen ich in der jüngeren Zeit über den Weg gelaufen bin.

Mein erster Eindruck war: klasse Idee. Doch kurz darauf folgte schon der zweite: Eigentlich scheint es sich eher um einen eingebauten Neukaufanreiz zu handeln als um einen Versuch der Firma, die ökologisch ruinöse Verkürzung von Lebenszyklen moderner TVs von elf Jahren im Zeitalter der alten Flimmerkisten auf sechs Jahre im Zeitalter der Flunderglotzen zu durchbrechen. De facto könnte er ökologisch genau das Gegenteil erreichen: eine Verkürzung der Lebenszyklen. Denn nur während der ersten vier Jahre soll die Chipkarte ersetzt werden, so ist es bisher wenigstens vorgesehen. Ob man danach noch Karten kaufen kann oder ohne Upgrade auskommen muss, hat Samsung noch nicht gesagt. Die Botschaft ist klar: Hey, Kunde, zögere nicht, kaufe unseren TV jetzt. Dann bist du wenigstens dieses Jahr und vier weitere Jahre auf der sicheren Seite. Dann aber wird's Zeit, dass du dich nach etwas Neuem umschaust.

Gut oder schlecht? Es ist eine Frage der Sichtweise. Die Umwelt scheint mir von dem Vorstoß nicht profitieren zu können. Flachfernseher hatten wenigstens bisher per se eine etwas längere Halbwertzeit als Handys oder Computer, weil sie nicht nur teurer, sondern auch im Einsatz einfältiger sind. Bislang geht es den Menschen bei Fernsehern vor allem um eines – das Fern- oder Videosehen. Dies mag sich mit den neuen TVs nun ändern, da sie die Menschen immer stärker und einfacher mit dem Internet verbinden. Aber dass die Dinger nun massenweise alle drei Jahre ersetzt werden, glaube ich bei der gegenwärtigen Einkommensentwicklung in Industrie- und Schwellenländern nicht. In der alten Welt ist eher sparen angesagt. Und der Mittelstand in der neuen Welt ist auch nicht so reich, jedes Jahr finanziell über die Stränge schlagen zu können. Da wird also der Karteneinschub kaum den Lebenszyklus verlängern können.

Aber es in jedem Fall psychologisch gut für die Kunden und Samsung. Die Kunden dürften psychologisch durch ein längeres Gefühl der Kaufzufriedenheit von der Idee mit der austauschbaren Chipkarte profitieren. Mir persönlich würde das so gehen und ich fände es gut. Die Gewissheit, dass mein Kauf nach dem Kauf schon veraltet ist, also der Verlust der Idee, etwas von nachhaltigem Wert gekauft zu haben, belastet mich schon ein bisschen nach jedem Gerätekauf. Und es erfordert ein gewisses Maß an seelischer Energie, dieses Gefühl wegzurationalisieren. Und Samsung offeriert nun ein Betäubungsmittel. Das Unternehmen dürfte sich so über eine bessere Markenbindung der Kunden freuen, auch wenn es in der Realität des Digitalzeitalters den Neukauf nicht wirklich weiter hinauszögert. Bin mal gespannt, wie die Idee einschlägt und ob sie Nachahmer findet. Von den technischen Machbarkeiten ganz abgesehen. (bsc)