Multichannel: Der Handel als Wegbereiter für den Kunden

Multichannel-Vertrieb, die Kombination von E-Commerce und traditionellem Ladenverkauf, liegt im Trend. Kein Handelsunternehmen will zurückstehen. Aber: Die Ergebnisse lassen noch zu wünschen übrig – Retailer und Verbundgruppen basteln eifrig an Konzepten.

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Lesezeit: 19 Min.
Von
  • Matthias Parbel
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Wie lange kann ein Handelsimperium neue Vertriebswege ignorieren? Sehr lang offensichtlich, wie das Beispiel Media Markt zeigt. Denn der Flächenmarkt-Multi, mit 245 Märkten präsent und im vergangenen Geschäftsjahr nach erneut rückläufigem Umsatz bei 5,8 Milliarden Euro angelangt, scherte sich lange Zeit überhaupt nicht um das Thema Multichannel. Während andere Unternehmen längst die Zeichen der Zeit erkannt hatten, baute der Ingolstädter Konzern noch unverdrossen auf aggressive Werbung, gepaart mit den gewohnten Aktionen in den Flächenmärkten.

Bei Media Markt soll der Kunde seinen Online-Kauf mit weiteren Produkten vor Ort ergänzen

(Bild: Metro)

Im vergangenen Jahr gab es die ersten Zeichen – mit Jahresbeginn 2012 schallte es dann laut aus Ingolstadt: Media Markt baue das Multichannel-Angebot aus und starte mit einem Onlineshop. Woher der plötzliche Wandel? Wobei das Onlineshop-Thema bei den Ingolstädtern so neu nicht ist. Wohl aber die konsequente Umsetzung. Also woher der Wandel? "Unsere Erfahrung zeigt, dass Kunden zunehmend hybrid kaufen – je nach ihrer persönlichen Situation mal online, mal im Markt. Wir wollen überall da sein, wo der Kunde uns sucht und erwartet, ihm dabei aber die Wahl lassen, ob er lieber online oder im Markt einkaufen will". Dieser Antwort auf Anfrage von heise resale fügte eine Sprecherin des Unternehmens noch hinzu: "Mit unserer Multichannel-Strategie haben wir daher ein überzeugendes, zukunftssicheres Konzept entwickelt, das die Grundlage dafür schafft, dass sich Online-Geschäft und stationäres Geschäft gegenseitig befruchten."

Auch wenn dies nach einer ganz normalen Entwicklung in der Vermarktungsstrategie von Media Markt klingt, betrachtet der Konzern dies doch als einen "Aufbruch in eine neue Ära". Oder wie Horst Norberg, CEO der Media-Saturn-Holding zum Start der Onlineshops Mitte Januar erklärte: "Wir werden unsere Stärke im stationären Handel auf den Marktplatz Internet nachhaltig ausdehnen. Die Doppelpräsenz macht den Einkauf bei Media Markt attraktiver denn je". Und wie attraktiv ist diese Doppelpräsenz nach nunmehr rund drei Monaten Praxis, wollte heise resale wissen? Die Antwort aus Ingolstadt kann nicht positiver ausfallen: "Die hohe Pick-Up-Quote, das heißt die große Anzahl an Kunden, die ihr online bestelltes Produkt im Markt abholen, zeigt, dass unsere Kunden die Multichannel-Vorteile ganz klar sehen und schätzen. Sehr gut angenommen werden auch weitere Bausteine unseres Multichannel-Konzepts wie beispielsweise die sogenannten Long-Tail-Terminals in den Märkten".

Tatsächlich benötigt zum Beispiel Media Markt dringend ein funktionierendes Multichannel-Konzept mit Onlineshop. Um mittelfristig nicht nur über den Flächenzuwachs wachsen zu müssen, wie dies derzeit der Fall ist, sind neue Vertriebswege unverzichtbar. Und: Immer mehr private Verbraucher aber auch Geschäftskunden kommen auf den Geschmack der Multichannel-Angebote. Dafür hat die Media Saturn Holding im vergangenen Jahr den Internetspezialisten Redcoon gekauft. Der Online-Elektrohändler wies für 2010/2011 immerhin einen Umsatz von 402 Millionen Euro aus. Wodurch der Internetabsatz bei Media Saturn im vergangenen Geschäftsjahr schon mal auf 348 Millionen Euro gestiegen ist. Und dies setzte sich auch im ersten Quartal 2012 fort: "Der Umsatz legte dank der Akquisition von Redcoon und dem erfolgreichen Start der deutschen Mehrkanalangebote von Media Markt und Saturn von 19 Millionen Euro im ersten Quartal 2011 auf 166 Millionen Euro im ersten Quartal 2012 zu," beschreibt der Konzernzwischenbericht die Entwicklung. Übrigens: Media Markt Saturn steigerte zwar den Gesamtumsatz in Deutschland im zurückliegenden Quartal um ein halbes Prozent von 2,254 Milliarden Euro auf 2,265 Milliarden, steigerte zugleich aber auch die Zahl der Fachmärkte von 381 im Q1 2001 auf 392 im ersten Quartal 2012. Gleichzeitig legte die Verkaufsfläche von 2844 Quadratmetern auf 2902 Quadratmeter zu.

Ohne persönliche Beratung läuft nichts: 32,9 Prozent der Bestellungen in Onlineshops geht eine persönliche Beratung voraus; diese Bestellungen entsprechen 74,6 Prozent des Umsatzes in Onlineshops

(Bild: ECC Handel / hybris GmbH)

Die Nachfrage bei privaten und Geschäftskunden nach Internetangeboten bestätigt auch eine Studie des E-Commerce-Center (ECC-Handel) in Köln in Zusammenarbeit mit dem Softwareanbieter für Multichannel-Plattformen Hybris GmbH in München. Demnach werden "ähnlich wie im Endkundengeschäft im B2B-Bereich während des Kaufentscheidungsprozesses unterschiedliche Kanäle kombiniert". Oder anders formuliert: "Multichannel-Käufe stehen auch bei Geschäftskunden auf der Tagesordnung." Zu diesem Schluss kommt die Studie "Das Informations- und Kaufverhalten von Geschäftskunden im B2B-Multichannel-Vertrieb – Status quo und Parallelen zum B2B-Handel", der die Befragung von mehr als 1000 Unternehmen aus der DACH-Region zugrunde liegen.