Nach der Solarenergie der Solarzement?

US-Chemiker haben ein Verfahren entwickelt, um Zement ohne Ausstoß von CO2 zu produzieren. Die gesamte Energie kommt dabei aus Sonnenlicht.

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Von
  • Kevin Bullis

US-Chemiker haben ein Verfahren entwickelt, um Zement ohne Ausstoß von CO2 zu produzieren. Die gesamte Energie kommt dabei aus Sonnenlicht.

Wenn um den Klimawandel gestritten wird, ist meist von Öl und Kohle die Rede. In Motoren und Kraftwerken verbrannt, verursachen sie den größten Anteil menschlicher CO2-Emissionen. Weniger bekannt ist, dass auf die Herstellung von Zement – einem der Grundstoffe des allgegenwärtigen Betons – immerhin fünf Prozent des globalen CO2-Ausstoßes entfallen. Forscher der George Washington University wollen dies nun ändern: Sie haben ein Verfahren entwickelt, in dem Kalk, der Hauptbestandteil von Zement, CO2-frei mit Hilfe von Sonnenenergie hergestellt wird.

Bislang gewinnt man Kalk, indem man Kalkstein auf 1500 Grad Celsius erhitzt: Aus dem Kalziumkarbonat des Kalksteins wird dann Kalziumoxid – so genannter gebrannter Kalk – und Kohlendioxid. Das in dieser Reaktion freigesetzte CO2 macht rund 60 Prozent der Emissionen aus der Zementherstellung aus, die anderen 40 Prozent kommen aus dem fossilen Brennmaterial der Kalköfen. Das bedeutet auch, dass es für eine klimaschonende Zementproduktion nicht genügt, die Heizenergie nur aus erneuerbaren Energieträgern zu beziehen.

In dem neuen Verfahren schlagen die Forscher um den Chemiker Stuart Licht deshalb einen anderen chemischen Weg ein. Festes Kalziumkarbonat wird mit flüssigem Lithiumkarbonat gemischt, das zuvor bei 900 Grad geschmolzen ist. Legt man an dieses Gemisch eine Spannung an, findet eine Elektrolyse statt: Das Kalziumoxid fällt als fester Stoff aus der Schmelze aus, so dass es leicht aus ihr herausgeholt werden kann, während das gasförmige CO2 abgefangen wird. Je höher die Arbeitstemperatur, desto weniger elektrische Energie muss man in den Prozess stecken, und nur bei hohen Temperaturen fällt das Kalziumkarbonat aus – bei niedrigen würde es sich in einer elektrolytischen Flüssigkeit lösen.

Das CO2 wird nicht in die Luft abgelassen, sondern spaltet sich in der Elektrolyse in Sauerstoff sowie, je nach Arbeitstemperatur, Kohlenstoff oder Kohlenmonoxid. Beide können chemisch weiterverarbeitet werden.

Die Energie für die Anlage liefern drei so genannte Fresnel-Linsen. Das sind Glasscheiben mit ringförmigen, konzentrischen Vertiefungen, die einfallendes Sonnenlicht bündeln. Zwei große Linsen erwärmen die Mischung aus Kalkstein und Lithiumkarbonat, die dritte kleinere Linse sammelt Licht für eine unter ihr befindliche Solarzelle. Die wiederum baut die elektrische Spannung auf, die für die Elektrolyse nötig ist.

Der Gesamtwirkungsgrad der kleinen Demonstrationsanlage beträgt erstaunliche 50 Prozent: Die Hälfte des durch die Linsen einfallenden Sonnenlichts wird als Arbeitsenergie genutzt. Handelsübliche Solarzellen wandeln hingegen nur 15 bis 20 Prozent des Sonnenlichts in Strom um. Im Vergleich zu Solarzellen werde ein größerer Teil des Sonnenlichtspektrums genutzt, sagt Stuart Licht.

Zu einer industriellen Kalkproduktion taugt die Konstruktion der Anlage aber noch nicht: Sie läuft nur bei Sonnenschein. Zementfabriken hingegen sind rund um die Uhr in Betrieb. Als Energiespeicher schlagen Licht und seine Kollegen heißes, geschmolzenes Salz vor, wie es bereits in solarthermischen Kraftwerken genutzt werden. Das Salz könnte nicht nur die Energie für die Karbonatschmelze liefern, sondern auch Wasser erhitzen, um mit dem Dampf eine Turbine anzutreiben.

Mit einer größeren, industriellen Variante der Anlage könnte es sogar gelingen, Zement billiger als bisher zu produzieren, glaubt Licht. Kurt House, CEO der Firma C12 Energy, die ein CO2-armes Herstellungsverfahren für Beton entwickelt hat, hält den Energiebedarf jedoch für sehr groß. „Wenn der Wirkungsgrad wirklich so gut ist, wie sie behaupten, wäre das sehr, sehr interessant“, sagt House. „Aber ich bin da noch skeptisch.“ (nbo)