Zensur im Web nimmt zu

Nach einer Untersuchung der OpenNet-Initiative richten sich Zensurmaßnahmen zunehmend gegen ganze Dienste und gegen Inhalte in lokaler Sprache.

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Von
  • Florian Rötzer

In vielen Staaten wie China, Iran oder Saudi-Arabien wird mittlerweile systematisch das Web zensiert; manchmal geschieht dies auch unregelmäßig wie kürzlich bei YouTube in der Türkei, weil sich in einem Video über den Staatsgründer Atatürk lustig gemacht wurde. In Pakistan wurde Anfang März auf gerichtliche Anordnung der Zugang zu Tausenden von Websites blockiert, weil sie angeblich gotteslästerliche Inhalte enthalten. Jemen ließ den Zugriff auf die Website der Zeitung Al-Shora sperren, weil diese die Regierung kritisiert hatte.

Ronald J. Deibert, Direktor des Citizen Lab an der University of Toronto, das Mitglied der OpenNet-Initiative ist, erklärt in einem Interview, dass die Zensur im Web in letzter Zeit rasch zunehme. Die OpenNet-Initiative untersucht gerade die Praxis in 40 Ländern. Dabei wird in den jeweiligen Ländern getestet, ob von dort aus bestimmte Websites zugänglich sind oder nicht. Laut Deibert findet in mehr als 30 davon eine Zensur statt. Vorbild seien Länder wie China oder Saudi-Arabien, die seit langer Zeit eine ausgeklügelte Zensurpolitik im Internet betreiben und dabei meist auf Filterprogramme zurückgreifen, die von westlichen Firmen entwickelt wurden. Die Begründung für die Sperrung gehe mittlerweile weit über die nationale Sicherheit oder die Bekämpfung von Pornographie hinaus. Gesperrt werden regelmäßig auch Webseiten der politischen Opposition, von religiösen Abweichlern oder Homosexuellen.

Zehn Länder, darunter China, Iran, Tunesien, Burma oder Usbekistan, bezeichnet Deibert als dauerhafte Zensierer. Es häufen sich jedoch auch die Sperrungen ganzer Angebote wie Bloganbieter (beispielsweise LiveJournal in China) oder YouTube in der Türkei. Die Genauigkeit, unerwünschte Inhalte zu erkennen und unzugänglich zu machen, sei auch durch kommerzielle Produkte verstärkt worden, mit denen sich Inhalte in der jeweils lokalen Sprache durch Erkennung bestimmter Begriffe identifizieren lassen: "Früher hat eine Regierung beispielsweise CNN geblockt. Jetzt aber geht es gegen Blogs in Farsi, Chinesisch oder Arabisch, während die westlichen Medien relativ zugänglich bleiben. Es sind die lokalen Themen, die kontrolliert werden sollen. Die Menschen vor Ort lesen die Artikel auf der Website von CNN eher nicht."

Gelegentlich kommt es auch zu Angriffen auf Webseiten und Server. In Kirgistan wurden beispielsweise Websites von Zeitungen mit DoS-Angriffen lahmgelegt. Eine Möglichkeit zur indirekten Zensur, die beispielsweise im Iran eingesetzt wurde, ist die Herabsetzung der Bandbreite, wodurch sich die Benutzung von Multimedia-Sites erschweren oder verhindern lässt.

Laut Dan Berman vom International Broadcasting Bureau des US-Außenministeriums, das Voice of America produziert, stützen sich die Regierungen auf Unternehmen aus den westlichen Demokratien, die ihnen die Technik liefern und teilweise auch als "ihre Augen und Ohren im Cyberspace" agieren. Cisco, Microsoft und Google sind dabei wegen ihrer Mithilfe an der Zensur und Überwachung des Internets in China besonders in die Kritik geraten Es sei aber unmöglich, meinte Berman, die Ausbreitung solcher Techniken wie Filterprogramme zu verhindern, da sie sich stets durch Mittelsmänner in anderen Ländern kaufen ließen. (fr)