Nature: Wikipedia nahe an Encyclopaedia Britannica

In den vergangenen Wochen wurde die Wikipedia wegen falscher Artikel und fehlendem Qualitätsmanagement viel gescholten. In einer Untersuchung des Wissenschaftsmagazins Nature schneidet die freie Online-Enzyklopädie erstaunlich gut ab.

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Von
  • Torsten Kleinz

In den vergangenen Wochen wurde die Wikipedia wegen falscher Artikel und fehlendem Qualitätsmanagement viel gescholten. Wie hoch die Qualität der freien Enzyklopädie wirklich ist, wollten Wissenschaftler für das renommierte Wissenschaftsmagazin Nature herausfinden. Dabei schneidet die Wikipedia erstaunlich gut ab.

Das Magazin unterzog die Wikipedia einem exemplarischen Review: 42 Artikel aus der Wikipedia und der Encyclopaedia Britannica zu verschiedenen Wissenschaftsbereichen wurden von Experten geprüft. Das Ergebnis: In beiden Quellen wurden jeweils vier schwerwiegende Fehler entdeckt – ein überraschender Gleichstand. In der B-Note, den Faktenfehlern, Auslassungen und missverständlichen Formulierungen, musste sich das knapp fünf Jahre alte Online-Projekt dem altehrwürdigen Konkurrenten geschlagen geben: 162 solcher Fehler fanden sich bei Wikipedia und 123 bei der Encyclopaedia Britannica.

Die Wikipedianer verbindet schon lange eine Art Hassliebe mit der Encyclopaedia Britannica. So gilt das altehrwürdige Werk zum einen als Vorbild und Richtschnur für die Wikipedianer, auf das sich auch Projektgründer Jimmy Wales öfters bezieht. Gleichzeitig werden aber auch Fehler der Britannica auf einer eigenen Wikipedia-Seite aufgelistet. Geht man nach den Nature-Ergebnissen, könnte diese Seite noch bedeutend anwachsen. Im Gegenzug versucht sich die kommerzielle Enzyklopädie von der kostenlosen Konkurrenz abzusetzen: So stellte der ehemalige Britannica-Herausgeber Robert McHenry in einem Artikel das Konzept der Wikipedia komplett in Frage.

Der Nature-Artikel könnte ein Ansporn für viele Wissenschaftler sein, sich aktiv als Wikipedia-Autoren zu betätigen. Bisher tummeln sich nur verhältnismäßig wenige Wissenschaftler aktiv auf der Online-Wissensplattform. Gerade ihnen könnten jedoch zur Zeit geplante Neuerungen wie stabile Artikelversionen bei der Arbeit entgegenkommen. Damit würden einmal für gut befundene Artikel dem täglichen Hin- und Her auf der Wikipedia entzogen und erst bei wesentlichen Qualitätsfortschritten durch eine neue Version ersetzt.

Unterdessen versuchen erklärte Wikipedia-Gegner auf der Welle der Wikipedia-Kritik mitzuschwimmen. Auf einer Webseite rufen unbekannte Kritiker zu einer Sammelklage gegen die Wikimedia Foundation auf, mit der die Schließung der Wikipedia für anonyme Nutzer und die Zahlung von Schadensersatz erzwingen wollen. In der Wikipedia-Community wird diese Seite mit der umstrittenen Hilfsorganisation QuakeAid in Verbindung gebracht, die durch Spam-Aktionen in der Wikipedia auffiel. Die Klagedrohung könnte sich daher als billige Retourkutsche erweisen. Die Firma Infochannel wiederum, die mit einem Eintrag in der deutschsprachigen Wikipedia am Widerstand der Community gescheitert war, beschreibt auf einer neuen Webseite mit dem Titel Wikimania, dass sie in Wahrheit das Wikipedia-Logo entwickelt habe. Weiterhin werden markenrechtliche Schritte gegen die Wikipedia angekündigt. Eine entsprechende Markenanmeldung liegt bereits beim Deutschen Patent- und Markenamt vor.

Siehe dazu auch in Technology Review:

(Torsten Kleinz) / (jk)