Urheberrecht und Pressefreiheit: Nur bequeme und untaugliche Lösungen?

Technischer Kopierschutz -- nicht fair, aber bequem. Medienkompetenz -- nicht einfach, aber unerlässlich: Zum Welttag der Pressefreiheit und zum Welttag des geistigen Eigentums gab es kontroverse Diskussionen.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Florian Steglich

Wird der technische Kopierschutz zum Schutz geistigen Eigentums ohne Rücksicht auf das Prinzip des "fair use" eingeführt, weil er für die Rechteinhaber einfach so bequem ist? Und wie gestaltet sich Pressefreiheit, wenn es an Medienkompetenz mangelt? Anlässlich des Welttages des geistigen Eigentums und des Welttages der Pressefreiheit hatte der Verein Medienstadt Leipzig zu zwei Podiumsdiskussionen geladen.

Unter dem Titel "Ein Korb voller Fragen: Digitale Inhalte und das Urheberrecht" bemühten sich die Teilnehmer um die Balance zwischen der Verwertung geistigen Eigentums und dem Interesse an freier Nutzung. Der Informationswissenschaftler Rainer Kuhlen forderte, den so genannten Zweiten Korb der Urheberrechtsnovellierung noch einmal grundsätzlich zu überdenken. Kuhlen wies auf Widersprüche hin: Einerseits hätten die geplanten Regelungen "satireverdächtige" Folgen für den wissenschaftlichen Alltag -- etwa was Nutzungsbeschränkungen für elektronische Bibliotheksbestände angehe. Andererseits forderten mehrere europäische Regierungschefs kürzlich den Aufbau einer europäischen digitalen Bibliothek. Kuhlens These: "Die mediale Wirklichkeit ist wirkungsvoller als überholte Verwertungsstrukturen." Alternative Lösungen wie die Creative-Commons-Lizenzen oder das Distributionssystem Potato seien auf dem Vormarsch. Es zeichne sich ab, dass die Urheberrechte nicht mehr in die Hände von Verwertungsgesellschaften gegeben, sondern zunehmend selbst wahrgenommen würden.

Ekkehard Kuhn vom Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft meinte dagegen, ein Künstler sei am künstlerischen Schaffen interessiert und wolle sich nicht selbst um die Verwertungsmaschinerie kümmern. Neue Systeme wie Potato oder Vitaminic blockiere die Tonträgerindustrie jedoch nicht. Sie setze auf DRM-Schutz, solange der Markt mitspielt. Claus Grewenig vom Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) betonte, dass es ein "Gewohnheitsrecht" zur Privatkopie überhaupt nicht gebe.

Einschränkung der Privatkopie und Kopierschutz -- darauf setze auch die Filmwirtschaft, erklärte Dr. Günter Poll von der Kanzlei Poll & Ventroni. Poll zeigte sich entsetzt über das jüngst bekanntgewordene Urteil eines französischen Gerichts, nach dem Universal den Kopierschutz von DVDs entfernen muss. Dieses Urteil nannte Rainer Kuhlen hingegen aus Verbrauchersicht begrüßenswert, denn: "DRM ist die bequeme, aber nicht die faire Lösung."

Mehr Einigkeit herrschte auf dem zweiten Panel des Tages zum Thema "Pressefreiheit im Cyberspace: Wie grenzenlos ist das Internet?". Klaus-Ulrich Mayer, Präsident der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM), stellte die These auf, dass die größte Bedrohung der Pressefreiheit heute nicht mehr vom Staat ausgehe, sondern von den Produzenten insbesondere elektronischer Medien, die ihre Freiheit im Kampf um die Quote missbrauchen. Dem konnte Alvar Freude von odem.org grundsätzlich zustimmen, lenkte den Fokus aber sogleich auf die Debatte um providerseitige Filtersysteme, die der Vorstoß des Düsseldorfer Regierungspräsidenten Jürgen Büssow im Jahre 2001 ausgelöst hatte. "Sobald eine funktionierende Filter-Infrastruktur da ist, sind auch die Interessensgruppen da", warnte Freude. Urheberrechtliche, markenrechtliche oder persönlichkeitsrechtliche Ansprüche, aber auch Forderungen etwa von Scientology nach der Sperrung kritischer Seiten seien zu erwarten.

Auch der Jugendschutzrechtler Heribert Schumann von der Universität Leipzig hält den Versuch, das Internet nach deutschen Maßstäben zu regulieren, schlicht für "untauglich". Mehr noch: Das Internet sei vermutlich auch international nicht zu regulieren, weil es keine weltweit einheitlichen Maßstäbe geben werde. Ebenso deutlich erteilte Karl Georg Schon, Leiter der Arbeitseinheit Internationale Informations- und Kommunikationstechnologiepolitik, entsprechenden Hoffnungen auf den nächsten WSIS im November in Tunis eine Absage: "Keinesfalls" werde es völkerrechtlich bindende Regeln für eine Regulierung des Internet geben -- "nicht im November und auch nicht in absehbarer Zukunft".

Der Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Kleinwächter zog so etwas wie ein Fazit: Für den gebildeten, qualifizierten User als bestes Regulierungssystem seien auch die Medien in der Verantwortung. "Und das ist der Auftrag an die Medien am heutigen Tag der Pressefreiheit: Sie sollen neben den Quoten die Bildung und Information nicht vergessen." Bildung, Information und Medienkompetenz -- darauf konnten sich alle Teilnehmer einigen. (Florian Steglich) / (jk)