Breite Basis für Änderung des Einschüchterungsparagraphen

Verbandsvertreter und Politiker aus allen Parteien fordern die Schließung der Schutzlücke, die es Staatsanwaltschaften ermöglicht, Journalisten durch Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrats einzuschüchtern.

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Von
  • Peter Mühlbauer

Im Zuge des Bekanntwerdens der Ermittlungen gegen Journalisten, die über den BND-Untersuchungsausschuss berichteten, werden die Stimmen für einen stärkeren Schutz vor einer Einschüchterung der Presse mittels Straf- und Zivilverfahren lauter. Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger äußerte gegenüber Telepolis den Eindruck, dass Journalisten in dem Fall als "eine Art Faustpfand" missbraucht und Medien an der Ausübung ihrer wesentlichen Aufgaben gehindert werden. Der FDP-Obmann im BND-Untersuchungsausschuss, Max Stadler, sprach gegenüber Telepolis von der Austragung eines Rechtsstreits zu Lasten der Pressefreiheit, weshalb es "dringend erforderlich" sei, "dass jetzt das Parlament tätig wird" und dass CDU/CSU und SPD "endlich" einem schon einmal abgelehnten Gesetzentwurf seiner Partei zustimmen sollten, der hier mehr Klarheit schafft.

Auch Julia Seeliger von den Grünen sieht, so sagte sie Telepolis, die Politik in der Pflicht, Journalisten vor "staatlicher Willkür" zu schützen und einen "wirksamen Rechtsschutz für Opfer rechtswidriger Maßnahmen" zu gewährleisten, da Behörden sonst "nach eigenem Gusto statt nach geregelter Rechtsstaatlichkeit" handeln. Vertreter von Journalistenverbänden wie Thomas Dreesen vom Deutschen Fachjournalisten-Verband (DFJV)(siehe Telepolis-Interview) und Ulrike Maercks-Franzen, die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) fordern ebenfalls eine schnelle Änderung des Paragrafen 353b des Strafgesetzbuches, der die "Beihilfe zum Geheimnisverrat" unter Strafe stellt.

Auch aus den Reihen der Regierungsparteien wird zumindest das Vorliegen von Handlungsbedarf eingestanden: Der CDU-Medienexperte Reinhard Grindel nannte das Vorgehen gegenüber dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel "höchst problematisch" und der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss äußerte gegenüber Telepolis, dass er das Festschreiben eines "besseren Berufsschutzes" in der Strafprozessordnung nach den jüngsten Ereignissen für "unumgänglich" hält. Der Gesetzentwurf der FDP geht seiner Ansicht nach "in die richtige Richtung" - ein Problem sieht Tauss aber in der Abgrenzung der "berufsmäßigen Journalisten" von "selbsternannten Schreibern".

Der SPD-Jungpolitiker Marcel Bartels hält die Forderung der FDP dagegen für "zynisch": Eine gesetzliche Klarstellung hilft seiner Ansicht nach nichts, wenn Politik und Justiz sich nicht an die Gesetze halten." Er schlägt stattdessen die Einrichtung einer von der Justiz unabhängigen Stelle vor, die sich auch um die Unterdrückung von Informationen mittels Einschüchterung und wirtschaftlichen Drucks kümmern soll:

"Justiz in Deutschland besteht aus weithin unbekannten Personen, ist von willkürlich anwendbaren großen Ermessensspielräumen geprägt und ihre Ergebnisse sind meiner Meinung nach beängstigend oft grotesk ungerecht [...]. Vermutlich mangelt es gerade wegen der Angst vor der Justiz an einer wirksamen Kontrolle durch kritische Journalisten und Medien."

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(pem)