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Was war. Was wird. (nicht entbehrend des dritten Teils eines Sommernachträtseltraums)

Wieder ein lauer Sommerabend. Doch da: Das Grauen! Das Grauen! 404: WWWW nicht gefunden ... Aber halt, so einfach geht das nicht, protestiert Hal Faber. Oder doch nicht? Oder wer? Oder was?

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

404 – Was war nicht gefunden.

*** Hallo Fremder! Ich weiß, es ist hart. Du kommst den ganzen endlosen Weg im Web, du bist erschöpft und ausgebrannt und dann findest du nicht, was du gesucht hast. Keine Wochenschau der gesammelten Albernheiten dieser Branche, sondern schlicht ein 404.

Aber das Leben ist halt so, es ist ein einziger großer Strom von Slips. Eine kleine Enttäuschung folgt auf eine kleine Enttäuschung, auf die eine kleine Enttäuschung folgt. Ich dachte, du hättest dich längst dran gewöhnt, Fremder, aber dem ist wohl noch nicht so. 404. Du bist verloren an einem dunklen Ort, dem blinden Fleck des Web. Wenn ich du wäre, würde ich mich schreiend davon klicken, denn mit 404 kommen sie, all die deprimierten Server und nutzlosen Maschinen.
Wenn ich zu dir in Rätseln spreche, Fremder, sind es Sommerrätsel. Frage 1: Wie funktionierte die schönste nutzlose Maschine?

*** Das ist wie mit der Pfeife, die keine ist. Nirgendwo ist hier eine Pfeife oder eine Person, die in Lachen ausbricht. Hier ist schlicht 404, keine Betrachtung der universalen Dummheit, sondern frei nach Foucault eine große Müdigkeit und gezielte Stummheit – oder war das umgekehrt? 404 oder 404? Der Link ist tot, doch das Linken geht immer weiter. Als das erste WWWW erschien, hatte es gerade einmal einen Link. Nach dieser Logik müsste das heutige Jubiläums-WWWW 404 Links haben und mit dem vorletzten auf den kleinen, stickigen Raum 404 verweisen, in dem drei CERNornen alle Fäden verweben. Der letzte wäre dann das Ende.

*** Zu einem zünftigen 404er-Jubiläum hätte es gehört, weiß auf weiß zu schreiben. Das wird leider vom HTML-Checker des CMS verhindert, das seit Jahren meine Texte bunkert. Vielleicht sollte das Programm um einen DRML-Checker erweitert werden, der diese unsere Deutsche Realität prüft, in der der Zugang zu einer Bibliothek genauso verdächtig ist wie die Fähigkeit, intellektuell anspruchsvolle Texte zu verfassen.
Da muss man nachgerade froh sein, als Kolumnist nur einfache satirische Texte schreiben zu müssen, die bar jeder Realitätsverschiebung sind. Ich kann nur einfach, oder um es mit fremden Federn zu schreiben: "Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: Sie hört nicht, was ich sage, und ich sage nicht, was sie hören will."
Womit wir bei der zweiten Frage wären (diesmal mit Bild, das wie immer bei einem Klick darauf eine vergrößerte Ansicht zutage fördert): Vergessen wir den HTML-Checker und erinnern uns, wie früher Texte auf toten Bäumen auftauchten, als Abstich auf Gänseblümchendruckern. Wie hieß der entsprechende Befehl?

*** Kein Jubiläum ohne Re – wir haben ja Zeit: Mit einem weinenden und noch einem weinenden Auge schaue ich aufs Konto: Kolumnen machen nicht reich. In den Spiegel: Kolumnen machen nicht schön. Auf Technorati: Berühmt ist was anderes. 6 Milliarden könnten das WWWW lesen, tun es aber einfach nicht. Im besten Fall machen Kolumnen satt, wenn man eine Scheibe WWW aufs Brot packen kann. Im Normalfall sollten sie nachdenklich machen, ganz abseits laufender Sommerrätsel: Sind es wirklich nur sechs Dinge, die ein Geek erledigen muss, bevor seine kalten, starren Finger vom Hackbrett gezerrt werden? Muss man nicht wenigstens einmal auf den Bungsberg oder Brocken gepilgert sein, einmal die c't gekündigt haben, um es sofort bitterlich zu bereuen? Und sollte man nicht wenigstens einen fehlerfrei laufenden Apachen der Nachwelt hinterlassen? Wenigstens einmal bei 101010 nicht an 42 denken?
Unausweislich daher die dritte Frage: Tja, 42 ist unsterblich, wir nicht. Welche Antwort ist solcher Art, dass einem der Gegenstand der Frage genommen wird?

*** Zur Frage, was Geeks wenigstens einmal in ihrem Leben machen sollen, gehört natürlich die Konstruktion einer besonders geekigen Maschine, das Schreiben eines sinnlosen Programmes oder auch nur einer einfachen Bastelanleitung für den kommenden Überwachungsstaat, in dem alle Menschen getaggt sind.
Damit erschließt sich ganz logisch die vierte Frage: Mit Testament schrieb Douglas Rushkoff einen Comic über ein Amerika, in dem alle jungen Menschen per RFID überwacht werden. Der Bildausschnitt rechts zeigt die Karte der Überwacher. Welcher Geek wird gesucht?

*** Derzeit ist ein geekiges Projekt in der schönsten Stadt der Welt, naja, ähem, in der größten Stadt der norddeutschen Tiefebene ausgestellt.
Aus Anhänglichkeit daher Frage 5: Wie heißt das Projekt?

*** Treue Stammleser erinnern sich noch an den Wettbewerb DSDOT, Deutschland sucht den Online-Trojaner, der vor Äonen, nämlich im vierhundertsten WWWW ausgerufen wurde. Nun stellt sich heraus, dass der schnelle Trojaner, der bei Gefahr im Verzug auf die Rechner des Gefährders hüpft, immer bereit, die Passworte des Gefährders zu verraten, als Offline-Gauner heraus. Die Techniker vom Bundeskriminalamt haben offenbar zuviel Lemmy Caution gesehen und wollen es genauso machen, wie in meiner Lieblingslektüre vorgeschlagen: Zunächst ein kleiner Einbruch im Zeichen des Großen Lauschangriffes, um die Festplatten heimlich mit den Logicube-Mitteln zu kopieren, die niemand im vorherigen Teil des Sommerrätsels erriet, dann die Analyse und Programmierung eines maßgeschneiderten Überwacherlis, der wiederum nach einem zweiten Einbruch heimlich in die Rechner gepfriemelt wird, wobei gleich einmal deren Firewalls ausgeknipst werden. Das von einer Computerzeitung völlig kritiklos geschilderte Verfahren einer Remote Forensic Software mag vielleicht rein theoretisch auf technischer Ebene funktionieren, ist aber für die vom Bundesinnenminister angemahnte schnelle Reaktion bei einer terroristischen Gefahr völlig unbrauchbar – ganz abgesehen von der fast schon lächerlichen Ignoranz gegenüber jedweden verfassungsrechtlich verankerten Grundrechten.
In diesem Link zeigt die Firma M.S.C Sicherheits- und Aufsperrtechnik, was alles zum großen Lauschangriff gehört. Daher Frage 6: Was ändert die Remote Forensic Software?

*** Unwichtige Details wie die Nutzung von USB-Sticks etwa durch den Mörder des niederländischen Regisseurs Theo van Gogh lassen wir mal beiseite. Bleibt die seltsame Konstruktion vom Richterband, die auch für die angezapften Festplatten gelten soll. Damit ist keine Rockgruppe gemeint, sondern ein Jurist mit guten Kenntnissen in Arabisch und Türkisch, der sich durch die geknackten Verzeichnisse und Dateien klickt. Cogitationis poenam nemo patitur wird es wohl auch bei uns bald heißen müssen.
Keine Frage ist, dass mit den angedachten Polizeimethoden Verschlüsseln zur Bürgerpflicht wird. Bleibt die Frage 7, wie ein Macrodot funktioniert.

*** In Zukunft will sich das Bundeskriminalamt heimlich, still und leise über Festplatten hermachen, um terroristische Beweise zu sichern. Früher ging das anders. Da brach man in die Wohnungen von Fotografen und stahl die Abzüge und Negative. Was bleibt, wenn die Welt der Wörter und der Bilder zusammenbricht und nicht nur eine Gitarre zertrümmert wird, davon erzählte Michelangelo Antonioni in bezaubernden Geschichten wie Blow Up. Nun ist Antonioni gestorben, zusammen mit Ingmar Bergmann. Kaum zu glauben, dass das Kino, diese Kunst, die beide prägten, schlappe 100 Jahre alt ist. Derweil macht der Beruf:Journalist in Deutschland wieder einmal klar, dass diese Demokratie schlappe 58 Jahre alt ist. In einem absolut sinnlosen Verfahren sind, ermächtigt durch den Bundestagspräsidenten Lammert, 17 Journalisten angeklagt, Beihilfe zum Geheimnisverrat geleistet zu haben. Die politische Einschüchterung empört die Journalisten, die gerne ein großes Gewese um ihren Job machen.
Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können, das zeichnet nach Karl Kraus den Journalisten aus. Was Frage 8 ergibt: Was ist 2,2?

404 - Was nicht wird.

Während die einen Hacker sich an einem Rettungsflug für eine Raumstation versuchen, auf der ganz legal gesoffen werden kann, packen die anderen ihre traditionellen Pesthörnchen-Wimpel zum Camp des Fähnlein Fieser Schweiß aus den Schränken. Bei der Lektüre zum Bionic Man nicht an die getaggten Kinder aus dem SciFi-Comic zu denken, ist nicht einfach.
Womit wir bei der neunten Frage wären: Wieviele Deutsche wollen sich einen Chip ins Hirn pflanzen lassen?

Wichtiger ist jedoch, dass die Vorbereitungen zur Berliner Funkausstellung angelaufen sind, die überaus erfolgreich werden soll, komplett mit einem neuen begeisternden Standard namens Full Heavy Dose Guckn.
Was Frage 10 ergibt: Was zeigt der Ausschnitt eines Messebildes, der im Bild links zu sehen ist, und aus welchen Jahr datiert er?

Und, nicht vergessen, Fremder, es gibt noch eine Bonusfrage: Wo warst du, als Elvis starb?

(Hal Faber) / (jk)