Brainshare: Mit Pinguinen fliegen

Auf Novells Brainshare-Konferenz berichtete unter anderem die Deutsche Flugsicherung, die per Gesetz zu einer Ausfallsicherheit von 99,9 Prozent verpflichtet ist, über die Umstellung auf Linux.

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Von
  • Detlef Borchers

Üblicherweise gehören die Testimonials von Firmen, die während einer Keynote im eingeblendeten Video bestätigen, wie wunderbar ein Produkt sie von allen Nöten und Sorgen der IT befreit hat, nicht unbedingt zu den interessantesten Dingen in der IT-Welt. Zu Novells Brainshare 2007 war das etwas anders: Es präsentierte sich beispielsweise Belgien mit seinem neuen digitalen Personalausweis, ein mit kontaktbehafteter Chipkarte ausgestatteter Ausweis, der für eine Vielzahl von virtuellen Behördengängen eingesetzt werden kann. Dabei setzt Belgien auf den Federated Authentication Service von SAML (Security Assertion Markup Language) und Novells Access Manager.

Ein weiteres prominentes Testimonial lieferte die Deutsche Flugsicherung (Video-Datei) ab, ein Betrieb mit 5200 Angestellten. Als GmbH bereits in ersten Grundzügen privatisiert, doch unter Aufsicht des Bundes, geriet die Flugsicherung in die Schlagzeilen, als sie von der Bundesregierung voll privatisiert werden sollte. Bundespräsident Köhler erhob unter Verweis auf die hoheitlichen Aufgaben und die hohen Sicherheitsanforderungen dagegen Einspruch.

Im Jahre 1997 überwachte die Flugsicherung im europäischen Verbund 7 Millionen Flugbewegungen. 2000 waren es bereits 8 Millionen, für 2010 werden 11,9 Millionen Flüge prognostiziert. Für das Air-Traffic-Control-(ATC-)System wie für die Berechnung der Radardaten setzte die Flugsicherung eine Reihe von proprietären Systemen ein, die unter einer Reihe von Unix-Derivaten (HP-UX, True64, Solaris, SunOS, OSF/1) liefen. Mit dem Kauf des ATC-Systems iHawk von der Concurrent Computer Corporation begann die Standardisierung auf Linux. Ein Linux Service Competence Center (LSCS) wurde in Langen mit der Aufgabe eingerichtet, die Systeme vor dem operativen Betrieb zu testen und eigene Programme zu entwickeln. Letzteres wurde erforderlich, weil es bei proprietären Systemen Bedenken gab, dass die nötige Hardware über längere Zeit vorrätig ist. Unter Linux entwickelte man die Radarsignalverarbeitung Phoenix, die unter Linux auf x86-Rechnern arbeitet und auf 1030 Systemen im Einsatz ist. Inzwischen wird Phoenix von der Deutschen Flugsicherung in der ganzen Welt vermarktet. Im Jahre 2010 soll Phoenix die letzte proprietäre Hardware ablösen, die noch bei Fallback-Systemen im Einsatz ist.

Die gesetzliche Verpflichtung zu einer Ausfallsicherheit von 99,9 Prozent bedeutet auch, dass die Flugsicherung zwei unterschiedliche Systeme bereithalten muss. Genau dieser Punkt bereitet Alexander Schanz, Leiter des LSCS, einige Kopfsschmerzen. Mit der Standardisierung auf die x86-Architektur gibt es auch Gefahren. Was passiert etwa, wenn ein Fehler in einem Chipsatz steckt, der in allen Rechnern eingesetzt wird? "Mich wundert, dass es überhaupt keine Studie darüber gibt, was passiert, wenn man Linux in sicherheitskritischen Bereichen einsetzt, in denen Fallback-Systeme gebraucht werden", erklärte Schanz im Gespräch mit heise online. Dennoch glaubt Schanz, dass die Flugsicherung auf dem richtigen Wege ist. Er stellte in Salt Lake City nicht nur das System vor, mit dem die deutschen Fluglotsen arbeiten, sondern hielt auch einige Vorträge über die Fernwartung und -installation von (Radar-)Systemen mit AutoYAST.

Zur Brainshare 2007 siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)