Wii Nintendo sich ins Aus spielt

Nintendos neue Game-Konsole Wii U soll der große Befreiungsschlag werden. Doch dank sturer Fortschrittsverweigerung landet das Gerät wahrscheinlich im Seitenaus der Internetgesellschaft.

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Von
  • Martin Kölling

Nintendos neue Game-Konsole Wii U soll der große Befreiungsschlag werden. Doch dank sturer Fortschrittsverweigerung landet das Gerät wahrscheinlich im Seitenaus der Internetgesellschaft.

Diese Woche hat Nintendo seinen neuen Hoffnungsträger, die Wii U, offiziell vorgestellt. In aller Kürze ein paar Fakten vorweg: Die Konsole hat einen Sechs-Zoll-Touchscreen, Bewegungssensoren, zwei Mini-Joysticks, Infrarot-Schnittstelle für die Fernbedienung des TV-Geräts, eine Mini-Kamera und vor allem Anschluss an ein soziales Netz im Internet, über das die Spieler sich über ihre Spielewelten (oder was auch immer) austauschen können. Gaaanz neue Spielformen sollen damit möglich werden, versprach Nintendo-Chef Satoru Iwata am Montag in einer halbstündigen, englischsprachigen Online-Ansprache. Die Spielemesse E3 in den USA drehte sich diese Woche zum Großteil darum, wie das Ding nach Nintendos Ansicht das Spielen verändern soll

Der Aufwand zeigt: Für Nintendo geht es um alles. Mit dem Gerät will die Firma sich aus dem Sumpf ziehen, in den die Smartphones und Tablet-PCs sie gestoßen haben. Nintendos Umsatz ist in den vergangenen Jahren kollabiert, das Unternehmen erstmals seit seinem Börsengang vor 30 Jahren in die Verlustzone gerutscht. Denn inzwischen können mobile Touch-Geräte im Vergleich zu Nintendos einst revolutionären Konsolen fast alles genauso so gut oder gar besser, was bei Gamern und vor allem Gelegenheitsspielern populär ist.

Nintendos portable DS-Konsole führte Touchscreen-Bedienung in die Welt der Videospiele ein (wenn auch mit Stift und nicht mit dem Finger), die stationäre Konsole Wii den bewegungsempfindlichen Controller. Beide machten Videospiele und andere Inhalte für Erwachsene leicht zugänglich und ermöglichten es Nintendo, aus seiner Kinder- und Jugendecke auszubrechen. Jung und alt, Männer und Frauen kauften die Konsolen. Denn die Spieler konnten nicht nur Spielefiguren wie Nintendos Superstar Super-Mario durch die verschiedenen Levels jagen, sondern auch unterwegs ihr Hirn trainieren oder vor der Glotze ihre Fitness.

Smartphones können vielleicht nicht alles, aber doch sehr viel davon. Und darüber hinaus beherrschen sie einige Tricks, die Nintendos Konsolen nicht können. Zum Beispiel ermöglichen sie Zugang zu der großen weiten Welt der Online-Spiele, ein Boommarkt ohnegleichen – und gleichzeitig ein Reich, zu dem Nintendo seinen Kunden den Zutritt mit Absicht verbaut.

Anstatt seine Spiele der Welt unabhängig von der Plattform zur Verfügung zu stellen, setzt das Unternehmen weiterhin darauf, ein Hardwarehersteller zu sein. Nicht einmal das Internet lässt sich bisher voll für den Kauf von Spielen nutzen. Wer Nintendos Problem in Lebensgröße sehen will, braucht nur das technische Kaufhaus Yodobashi Camera im Tokioter Mekka der Geeks und Freaks Akihabara zu besuchen.

An Wochenenden drängen sich über den Tag verteilt Hunderte von DS-Spielern um einen Wifi-Sender Nintendos, um neueste Spiele herunterladen und verbunden spielen zu können. Nur wer wirklich gerne spielt, nimmt solche Mühen auf sich. Der Rest der Welt, wie auch ich, sagt sich: Was soll der Umstand! Und gibt sich mit dem Smartphone zufrieden.

Meine Vorhersage: Die Einrichtung eines eigenen sozialen Netzwerkes, dem "Miiverse" ist ja schön und gut. Aber es öffnet Nintendos Spielewelten nicht für Handys und Tablets. Und solange Nintendo daran festhält, sich dem Fortschritt zu verweigern und die Spieler in seinem eigenen Reich gefangen zu halten, wird das Unternehmen nicht wieder zu einem Anbieter von Videospielen für Kinder. Denn Eltern lieben Konsolen, eben weil sie nur begrenzten Zugang zum Internet bieten. Damit lässt sich nicht nur besser kontrollieren als bei Handys, was Kinder spielen, sondern auch zu welchen Inhalten sie Zugang haben und wie viel Geld sie ausgeben. Doch wenn ich beobachte, wie gekonnt schon Vorschulkinder mit Smartphones hantieren, beschleicht mich das Gefühl, dass es bei Nintendo vielleicht nicht einmal mehr zu einem Platz im Kinderzimmer reichen wird. (bsc)