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Soziale Medien wie Facebook bieten Unternehmen verblüffend zielgenaue Möglichkeiten der Vermarktung. Doch sie bergen auch große Risiken für die Werbenden.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Sascha Mattke
Inhaltsverzeichnis

Soziale Medien wie Facebook bieten Unternehmen verblüffend zielgenaue Möglichkeiten der Vermarktung. Doch sie bergen auch große Risiken für die Werbenden.

Auf der einen Seite ist Facebook für Werbetreibende so etwas wie das Paradies. Wenn sie dort Anzeigen schalten wollen, steht ihnen dafür ein komfortables Web-Werkzeug zur Verfügung, mit dem sie ihre Empfänger so gezielt ansprechen können wie wohl nirgendwo sonst: Sie können das Land auswählen, bei Bedarf auch die Stadt samt Umkreis in Kilometern, dazu Altersgruppe, Geschlecht, Beziehungsstatus und schließlich Hobbys; der letzte Punkt hält von A wie Angeln bis Z wie Zombies alles bereit, wofür jemand sich interessieren könnte. Steht die Anzeige dann online, kann das Unternehmen dahinter auf Facebook genau verfolgen, wie viel Prozent der Nutzer darauf reagieren und zu welchen Zeiten, natürlich wieder aufgeschlüsselt nach demografischen Merkmalen und Interessen.

Auf der anderen Seite kann Facebook die Hölle sein, wie etwa der Nahrungsmittelkonzern Nestlé feststellen musste. Das Unternehmen hatte versucht, mit einer Fanpage, das heißt einer eigenen Seite bei Facebook, Kunden an sich zu binden – doch der Plan ging ganz und gar nicht auf: Durch Veröffentlichung eines drastischen Greenpeace-Videos sensibilisiert, beschwerten sich reihenweise Facebook-Nutzer öffentlich darüber, dass in dem Schokoriegel Kitkat Palmöl aus Indonesien verwendet wurde, für dessen Gewinnung der Lebensraum von Orang-Utans zerstört wird; nach unschönen Wortgefechten, Zensurversuchen und einer zeitweiligen Abschaltung der Fanpage gab Nestlé schließlich nach und versprach, künftig nur noch unbedenkliches Palmöl zu verwenden.

Die hohe Zielgenauigkeit und der Proteststurm der Kunden sind zwei Seiten derselben Medaille: des sogenannten Web 2.0. Statt von anonymen Surfern ist es von echten Menschen bevölkert, und es stehen in ihm reichlich Publikationen und technische Mittel zur Verfügung, mit denen jeder seine Ideen und Meinungen veröffentlichen kann. Wegen des Siegeszugs der sozialen Netze im Web 2.0 ist heute auch oft vom "sozialen Web" die Rede. Kein Angebot darin ist größer und bedeutender als Facebook mit seinen inzwischen 800 Millionen aktiven Nutzern – mehr, als es weltweit Autos gibt. Ein Eldorado für die werbende Wirtschaft, aber auch eine Schredderanlage fürs Firmenimage, wenn ein Unternehmen sich ungeschickt benimmt. "Marketing in sozialen Netzen ist einfach riskanter, weil der Konsument hier öffentlich reagiert", sagt Andreas Bersch von der auf soziale Medien spezialisierten Werbeagentur Berliner Brandung. Wer hier erfolgreich werben will, muss also mehr können als hübsche Banner schalten.

Dass die Werbekunden zu Facebook strömen, ist nicht weiter verwunderlich – naturgemäß zieht es sie dahin, wo die Massen sind. Geschäftszahlen werden von Facebook bislang nicht veröffentlicht, doch der Marktforschungsdienst eMarketer veranschlagt den Gesamtumsatz 2011 auf 4,27 Milliarden Dollar, davon 3,8 Milliarden Dollar in Form von Werbeeinnahmen. In den USA ist Facebook laut eMarketer auf dem besten Weg, Yahoo! als Umsatzprimus abzulösen – jenes Unternehmen mit dem weltweit höchsten Umsatz durch "Display-Werbung", also Werbebanner. Und auch in Deutschland, so Bersch, wird eine Facebook-Präsenz zumindest für die großen Marken immer mehr zum Normalfall.

Um so weit zu kommen, musste Facebook sich einiges einfallen lassen. Als das soziale Netzwerk erst einmal in Schwung gekommen war, gesellten sich fast von selbst immer neue Nutzer hinzu, um online mit ihren Freunden zu kommunizieren. Die Mitglieder aus Deutschland verbringen laut der Werbeforschungsfirma Nielsen jeden Monat durchschnittlich um die fünf Stunden auf Facebook, länger als bei jedem anderen Online-Dienst. Sie lesen Neues aus dem Freundesnetz, schauen Fotos und Profile an oder schreiben selber etwas.

Wohl noch nie zuvor war es so einfach, an Informationen über Nutzer heranzukommen. Und doch haben es die Werbetreibenden gar nicht so leicht, den "Facebookern" mittels Anzeigen etwas zu verkaufen. "Mehrere Studien haben belegt, dass Facebook für die User ein privates Medium ist", sagt Elke Theobald, Professorin für computergestützte Medien an der Hochschule Pforzheim. Deshalb seien die Nutzer dort wenig empfänglich für konventionelle Werbung. Zum Glück für die Werbewirtschaft bietet Facebook jedoch noch viele andere, modernere Formate an: Ein Informationsdokument des Unternehmens weist 16 unterschiedliche Werbemöglichkeiten aus. Fast immer geht es dabei darum, eine Verbindung zwischen der Botschaft oder Kaufaufforderung und dem privaten Umfeld eines Mitglieds zu schaffen.

So gibt es zum Beispiel "Premium Event Ads", die für Veranstaltungen innerhalb von Facebook werben, etwa für eine Vorschau eines kommerziellen Kinofilms zu einem bestimmten Termin. Wer sie angezeigt bekommt, kann zugleich sehen, wie viele Leute sich insgesamt dafür angemeldet haben und ob Freunde darunter sind. Ebenso kann er direkt in der Anzeige anklicken, ob er selbst "vielleicht", "gar nicht" oder "sicher" ebenfalls dabei sein wird. Wählt er eine dieser Optionen aus, bekommen das wiederum seine Facebook-Freunde in ihrem Neuigkeiten-Ticker zu sehen, sodass auch deren Interesse geweckt werden kann.

Ein weiteres Format, eingeführt Anfang 2011 und um immer neue Variationen erweitert, sind die "Sponsored Stories". Unternehmen können damit auf eigene Aktivitäten oder die ihrer Fans auf Facebook aufmerksam machen. Bei der "Page Like Story" etwa wird Nutzern über einem Werbebild mit kurzem Text angezeigt, wenn einer ihrer Freunde sich durch Betätigen des "Gefällt mir"-Buttons zum Fan des Werbenden erklärt hat. Und die "Check-in Story" nutzt aus, dass Facebook-Nutzer über eine Smartphone-App kundtun können, wo sie sich gerade aufhalten, in einem Café etwa oder einem Kaufhaus. Ihren Freunden wird das nicht wie sonst üblich nur in einem flüchtigen Ticker angezeigt, sondern für die gesamte Buchungsdauer der Sponsored Story. Rechts oben auf ihrer Seite erscheint dann das Logo des besuchten Ortes und die Option, auf "Gefällt mir" zu klicken oder einen Kommentar abzugeben.