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Derartige quasi von Freunden empfohlene Werbeformate funktionieren gut: Facebook zitiert in seinen Werbeunterlagen eine Nielsen-Studie, laut der Nutzer sich 68 Prozent öfter an Anzeigen erinnern können, wenn diese mit dem Namen eines Freundes verbunden sind; die Aussage der Anzeige merken sie sich dann sogar doppelt so häufig.

Was Werbetreibenden gefällt und Nutzer zumindest bislang nicht vertreibt, ist Datenschützern allerdings ein Dorn im Auge. Professor Johannes Caspar, Datenschutzbeauftragter in Hamburg, dem Sitz der deutschen Facebook-Tochter, zeigt sich durchaus beeindruckt von der "Innovationskraft" des Unternehmens und sagt, es habe "in einem gewissen Sinn den Werbemarkt revolutioniert". Das Geschäftsmodell basiere aber letztlich darauf, dass möglichst viele Nutzer ihre persönlichen Daten über die Plattform für Werbezwecke zur Verfügung stellen und damit quasi Privates öffentlich machen. Caspar sieht einen direkten Zielkonflikt zwischen der Menge der angesammelten Daten und dem Geschäftserfolg von Facebook – denn sein Wert für die Werbung liege ja gerade darin, dass der Dienst so viel über seine Nutzer weiß. Aus genau diesem Grund könne der Nutzer zwar die öffentliche Anzeige der Freundesliste abschalten, aber die Voreinstellungen seien bereits so ausgelegt, "dass man seine Daten auch gleich in einer regionalen Tageszeitung veröffentlichen kann". Ohne zumindest richtig klingenden Namen und Geburtsdatum etwa kann man bei Facebook gar kein Profil anlegen.

Zumindest in Zukunft wird das Sozialnetz die Privatsphäre seiner Nutzer aber besser achten und schützen müssen, denn in einer außergerichtlichen Einigung mit der US-Verbraucherschutzbehörde FTC hat Facebook eine Reihe von Änderungen versprochen. So soll Facebook keine falschen Angaben über den Umgang mit Daten machen oder ohne Zustimmung der Nutzer neue Funktionen einführen, die den Datenschutz aushöhlen; beides hatte es laut FTC in der Vergangenheit mehrfach gegeben.

Auf jeden Fall wird Facebook-Gründer Mark Zuckerberg dafür sorgen müssen, dass nicht nur die einfachen Nutzer, sondern auch die Werbekunden bei Laune bleiben. Damit zum Beispiel die Innovation "Sponsored Stories" funktioniert, sollten die Seiten genügend Möglichkeiten für die Nutzer bieten, aktiv zu werden – darauf weist Facebook in seinem Informationsmaterial explizit hin. Die Unternehmen müssen die User dazu bringen, sich zum Fan zu erklären, Nachrichten zu kommentieren, sich für Termine einzutragen oder angebotene Mini-Programme zu installieren.

Das Entscheidende dabei ist stets, in einen Dialog mit den Nutzern zu kommen. Diese Werbemethode birgt allerdings nicht nur Vorteile, denn, wie Werber Bersch erinnert: "Wir haben hier ein völlig neues Medium mit völlig neuen Spielregeln." In ihrer Frühzeit galten soziale Netze als Tabuzone für Werbung, weil Unternehmen nicht Gefahr laufen wollten, mit ihren Botschaften neben anstößigen Inhalten zu erscheinen oder gar öffentliche Lästereien über sich selbst zu provozieren.

Doch solche Empfindlichkeiten können sich werbende Firmen nicht mehr leisten. Deshalb drehen sie den Spieß geschickt um und nutzen Negativreaktionen, um die eigenen Sympathiewerte zu steigern. Die Deutsche Telekom zum Beispiel betreibt auf Facebook sowie beim Kurznachrichten-Dienst Twitter die Unterseite "Telekom hilft": Dort gibt sich ein 32-köpfiges Team erkennbar Mühe, auch auf unfreundliche Beschwerden einzugehen, Verständnis zu zeigen und Kunden mit Problemen rasch weiterzuhelfen. Ganz im Stil des sozialen Webs duzen die Support-Mitarbeiter die Hilfesuchenden und geben sich auch sonst deutlich zugänglicher, als es Hotline-geplagte Kunden gewohnt sind.

Ein weiteres Beispiel für die Unberechenbarkeit der sozialen Meute – und geschickten Umgang damit – liefert der Hamburger Otto-Konzern, Deutschlands zweitgrößter Internet-Händler: Ende 2010 hatte er auf Facebook einen Model-Wettbewerb veranstaltet, für den Nutzer Bilder von sich hochladen und zur Abstimmung stellen konnten. Der Gewinner sollte 400 Euro erhalten, ein professionelles Foto-Shooting und die Ehre, mit diesen Fotos zwei Wochen lang die Otto-Fanpage auf Facebook schmücken zu dürfen. Einer der Teilnehmer war ein BWL-Student aus Süddeutschland, der sich einen Spaß daraus machte, ein Bild von sich in Frauenkleidern zu verwenden und sich "der Brigitte" zu nennen. Die Aktion sprach sich im Netz herum, und tatsächlich bekam der Student die meisten Stimmen.

Auf diese Entwicklung sei er nicht vorbereitet gewesen, räumte Otto-Sprecher Thomas Voigt später ein. Doch mit den 23.000 erklärten Brigitte-Fans anlegen wollte er sich nicht, also bekam der Gewinner, was ihm versprochen worden war. Nur wenige Nutzer beschwerten sich über die männliche Frau auf der Otto-Fanpage; die meisten zeigten sich angetan von der Bereitschaft des Versandhauses, den Spaß mitzumachen und die eigenen Regeln nicht nachträglich zu ändern. Nach Ende der Aktion hatte das Unternehmen 160.000 Facebook-Fans, und die Sympathiewelle scheint anzuhalten: Bis Anfang Dezember 2011 ist die Zahl der Fans auf gut 295.000 gestiegen. (bsc)