Computerpflicht

Selbst Computermuffel unter den Gewerbetreibenden und (Klein-)Unternehmern müssen zu Tastatur und Maus greifen, wenn sie keinen Ärger mit dem Finanzamt riskieren wollen. Das betrifft Umsatzsteuer-Voranmeldungen ebenso wie Steuererklärungen. Dem Bundesfinanzhof zufolge muss für diesen Zweck notfalls extra ein Computer angeschafft werden.

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Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Unternehmer im Geltungsbereich der deutschen Gesetze kommen nicht darum herum, zur Wahrnehmung ihrer Pflichten gegenüber dem Finanzamt einen Computer zu benutzen. Bereits seit dem 1. Januar 2005 verpflichtet der Gesetzgeber sie, ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen elektronisch zu übermitteln [1]. Mit dem Steuerbürokratieabbaugesetz (StBürokratAbG) vom 20. Dezember 2008 wurde diese Vorschrift neu gefasst [2]. Gleichzeitig formulierte der Gesetzgeber auch für andere Steuerarten die grundsätzliche Pflicht, Steueranmeldungen und -erklärungen elektronisch „nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung“ an die Finanzämter zu übermitteln [3]. Für diejenigen Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2012 beginnen, ist ebenfalls die sogenannte E-Bilanz erforderlich [4]. Nach den gesetzlichen Bestimmungen kann die Finanzbehörde nur auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung durch „Datenfernübertragung“, also in der Praxis per Internet, verzichten.

Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hielt es nicht für ausreichend, dass eine Befreiung von der Digitalpflicht ins Ermessen der Finanzämter gestellt sein sollte. Er sorgte dafür, dass – entgegen dem ursprünglichen Gesetzentwurf – ein neuer Absatz 8 in Paragraf 150 der Abgabenordnung (AO) eingefügt wurde [5]. Diese Vorschrift soll denjenigen, die aus technischen oder persönlichen Gründen keine elektronische Übermittlung leisten können, einen gesetzlichen Anspruch einräumen, Voranmeldungen und Steuererklärungen wie bisher auf Papier zu übermitteln. Damit sollte eine großzügige Ausnahmeregelung von der EDV-Erklärungspflicht entstehen.

Zur Nagelprobe geriet der folgende Fall: Eine GmbH vermietete Betriebsgrundstücke an verbundene Unternehmen und erledigte ihre Buchführung handschriftlich mittels eines „amerikanischen Journals“ – der einfachsten Form der doppelten Buchführung, wie sie bei kleinen Betrieben mit nur wenigen Buchungskonten beliebt ist. Geschäftsführer der Gesellschaft sind ein Ehepaar sowie dessen Kinder. Im Dezember 2004 beantragte der Vater für die GmbH beim zuständigen Finanzamt, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abgeben zu dürfen. Er legte dar, dass die Buchhaltung der GmbH so klein sei, dass sie ohne elektronische Hilfe erledigt werden könne. Außerdem verfüge man nicht über die erforderliche Hard- und Software. Die zuständige Person innerhalb des Geschäftsführerquartetts sei zudem altersbedingt nicht in der Lage, mit einem PC umzugehen.
Das Finanzamt lehnte diesen Antrag im Dezember 2004 ab. Nachdem die GmbH erfolglos
ein Einspruchsverfahren durchgeführt hatte, wandte sie sich Hilfe suchend an das Niedersächsische Finanzgericht (FG) in Hannover [6].

Der mit der Sache befasste Senat hielt insbesondere die Sicherheitsbedenken, die der Kläger in Bezug auf eine elektronische Datenübermittlung geltend gemacht hatte, für unbegründet. Man verwies auf das ELSTER-Verfahren, mit dem die deutschen Steuerverwaltungen den Übertragungsweg von der papiergebundenen hin zur digitalen Form eingeführt haben. Die elektronische Umsatzsteuer-Voranmeldung habe nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung (StDÜV) zu erfolgen [7]. Nach § 87a Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) sind elektronische Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen, was einen gewissen Sicherheitsstandard gewährleistet [8]. Nur wenn er will, kann ein Steuerpflichtiger bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung gemäß § 6 Abs. 1 StDÜV auf die qualifizierte elektronische Signatur verzichten.

Seit dem 1. Januar 2006, so das Gericht, habe der Unternehmer zusätzlich die Möglichkeit, die elektronisch zu übermittelnden Daten der Voranmeldung direkt über das WebPortal „ElsterOnline“ statt über die Software „ElsterFormular“ einzugeben. Mit der Einführung des Online-Portals habe man zwei neue Möglichkeiten der Authentifizierung geschaffen, nämlich mittels „Elster-Stick“ beziehungsweise durch Verwendung eines Software-Zertifikats.

Dem ELSTER-Verfahren könne man keine Manipulierbarkeit vorwerfen. Eine Manipulationsmöglichkeit bestehe nur, weil allein die Steuernummer als Authentifizierung ausreiche. Ein Unternehmer habe jedoch die Möglichkeit, seine Sicherheit durch Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur als digitale Unterschrift zu erhöhen. Zusätzlich könne er weitere sicherheitsverbessernde Möglichkeiten des ELSTER-Verfahrens nutzen. Die bei der elektronischen Übertragung verwendeten IP-Adressen würden außerdem über einen mehrmonatigen Zeitraum gespeichert. Zwar sei es einem Nutzer bei Dateneingabe und -zugriff möglich, seine IP-Adresse zu unterdrücken, die daraus resultierenden Gefahren hielt der Senat jedoch nicht für praxisrelevant.

Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt, die klagende GmbH habe keinen Anspruch auf Abgabe einer Papier-Anmeldung gemäß § 150 Abs. 8 AO (siehe Kasten). Dennoch sei ihre Klage teilweise begründet. Das Finanzamt habe sich nämlich mit den Argumenten der Klägerin nicht ausreichend auseinandergesetzt. Insofern solle die Behörde erneut eine Ermessensentscheidung im Rahmen des § 18 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) fällen.

Gegen dieses Urteil legte die GmbH Revision ein, und die Sache landete beim XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in München. Dort wurde das hannoversche Urteil im Ergebnis bestätigt [9]. Interessante Unterschiede zur FG-Entscheidung finden sich jedoch in der Begründung.