App hackt Essverhalten

Das Start-up Massive Health hat eine Online-Datenbank mit der täglichen Nahrungsaufnahme von 100.000 Nutzern aufgebaut. Daraus sollen nun Apps werden, die ungesundes Verhalten bekämpfen helfen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Tom Simonite

Das Start-up Massive Health hat eine Online-Datenbank mit der täglichen Nahrungsaufnahme von 100.000 Nutzern aufgebaut. Daraus sollen nun Apps werden, die ungesundes Verhalten bekämpfen helfen.

Eigentlich erinnert die iPhone-App The Eatery auf den ersten Blick an Programme wie die populäre Fotoanwendung Instagram – Nutzer verwenden sie, um tagtäglich Schnappschüsse anzufertigen. Die Besonderheit: Die User knipsen mit der Anwendung alles, was sie zwischen morgens und abends essen und führen so Buch. Gleichzeitig können sie auch dem Essverhalten anderer Nutzer folgen und bewerten, für wie gesund sie deren Mahlzeiten halten. Der dabei mittlerweile entstandene Datenschatz ist gewaltig: So gibt es allein 7,7 Millionen Bewertungen für 500.000 Essen. Daraus wollen die Macher, das Start-up Massive Health, nun ein Nachfolgeprojekt erstellen: Eine App, die Nutzern datenbankgestützt hilft, einen besseren Lebenswandel zu pflegen.

Die bereits ermittelten Muster zeigen beispielsweise, dass die Nahrhaftigkeit des Essens im Laufe des Tages unaufhaltsam abnimmt und sich die Essensauswahl zu immerhin einem Drittel aus dem sozialen Umfeld einer Person erklären lässt. Die Gesamtbewertung "gesund/ungesund" lässt wiederum eine Korrelation mit den aktuellen Fettleibigkeitsdaten großer US-Städte zu. (Massive Health hat einige dieser Informationen in einer Infografik zusammengestellt.)

Auch medizinische Untersuchungen zum Essverhalten und zum Übergewicht lassen sich durch die Daten unterfüttern. Entsprechend wäre es nun möglich, aus diesen Erkenntnissen wiederum eine Ratgeber-App zu zimmern, meint Aza Raskin, Mitbegründer von Massive Health. "Wir fanden heraus, dass die Leute Stunde für Stunde ungesünder essen. Das lässt sich sofort in eine Strategie umsetzen: Wenn man überlegt, ob man um 12 oder um 14 Uhr sein Mittagessen einnimmt, sollte man es lieber früher tun." Um 14 Uhr sei die Nahung im Schnitt 4 Prozent ungesünder gewesen. Die neue App könne dann beispielsweise einen Hinweis geben, doch etwas früher zu speisen und zeigen, wie viele Kalorien man potenziell spart.

Raskin zufolge arbeitet Massive Health bereits an verschiedenen Ansätzen. Zu den Ideen gehören Apps, die die medizinische Behandlung ernster Krankheiten, bei der der persönliche Lebenswandel eine wichtige Rolle spielt, ergänzen sollen – beispielsweise Diabetes. Schon das Erfassen der Nahrung an sich kann helfen. Nach einem Monat mit The Eatery verbesserte sich die Diät der Nutzer um durchschnittlich 8 Prozent. "Wenn man jemanden rechtzeitig dazu bewegt, etwas zu ändern, werden aus 8 Prozent vielleicht 20, 30 oder 40 Prozent", sagt Raskin.

Lora Burke, Professorin an der Pflegehochschule der University of Pittsburgh, meint, dass viele medizinische Forscher derzeit mit Mobiltechnik experimentierten. Das geht auch schon ohne hippes iPhone: Eine Studie von Burke und ihrem Team ließ Nutzer mit einem einfachen PDA zwei Jahre lang ihre Nahrungsaufnahme erfassen. Gezählt wurde die Anzahl der konsumierten Kalorien, außerdem gab es Ratschläge – etwa, dass man zum Einhalten des Tagesziels besser das fettfreie Salatdressing verwendet.

Menschen, die entsprechende elektronische Anreize erhielten, konnten ihre Kalorienaufnahme deutlich besser reduzieren als eine Kontrollgruppe. Allerdings gab es gleichzeitig keine großen Erfolgsunterschiede beim Abnehmen. Trotzdem kommt Burke zu einem ähnlichen Schluss wie Raskin: Ärzte könnten eines Tages den Gebrauch mobiler Apps verschreiben. "Wir schaffen es bereits jetzt sehr gut, dass Leute kurzfristig abnehmen. Doch das Gewicht zu halten ist das Problem." (bsc)