Anhörung zum Auswahlverfahren für neue Adresszonen im Netz

Die für die Verwaltung der internationalen Top-Level-Domains zuständige ICANN hat die öffentliche Anhörung über das Vergabeverfahren für neue Adresszonen gestartet.

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Von
  • Monika Ermert

Die private Netzverwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) hat am vergangenen Freitag den Startschuss zur öffentlichen Anhörung des lange und kontrovers diskutierten Vergabeverfahrens für neue Internet-Adresszonen (TLDs) gegeben. Noch 20 Tage haben interessierte Kreise oder Nutzer Zeit, das künftige Vergabeverfahren zu kommentieren. Kurz nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen am 30. August will das bei ICANN zuständige Selbstverwaltungsgremium für generische TLDs über die Prinzipien, Empfehlungen und praktische Umsetzung entscheiden. Bevor die neuen Adresszonen eingeführt werden können, muss der ICANN-Vorstand formell entscheiden; nach der offiziellen Ausschreibung haben Bewerber dann vier Monate Zeit.

Ob in nur 20 Tagen während der Haupturlaubszeit noch viele Stellungnahmen kommen ist indes fraglich. Zu kommentieren gilt es immerhin ein dickes Paket von Regeln für den seit Jahren diskutierten Vergabeprozess. Dabei geht es um die Auswahlkriterien für die Bewerber um neue Adresszonen, um Fragen, welche Namen für die Zonen möglich sein sollen und Verfahren rund um den Vergabeprozess wie etwa Streitbeilegung für konkurrierende Bewerber und Fragen der grundsätzlichen Vertragsgestaltung.

100 oder gar 1000 neue Adresszonen könnten entstehen, sagte ICANN-Präsident Paul Twomey zum Start der Anhörung. Umstritten bleibt dabei, wie groß der Bedarf an neuen Adressen tatsächlich sein wird. Während manche Beobachter die ewigen Verzögerungen bei der Einführung der mit der führenden .com-Domain konkurrierenden Adresszonen beklagen, verweisen andere auf die eher bescheidenen Registrierungs- und Nutzungszahlen neuer Adresszonen. Zu einiger Bedeutung könnten allerdings die ersten komplett nicht-englischen Adresszonen gelangen – sie sprechen immerhin mit der wachsenden Welt der nicht-englischsprachigen Internetnutzer eine neue Klientel an.

Twomey hob zum Start der Konsultation die wohl kniffligste Frage hervor, "wie man mit Vorschlägen umgeht, die von einzelnen oder Gruppierungen als problematisch eingeschätzt werden". Den Empfehlungen zufolge dürfen neue Adresszonenkürzel den existierenden TLDs oder reservierten Begriffen (dazu gehören Ausdrücke wie whois, test oder auch IANA) nicht zu ähnlich sein. Bestehende Rechtsansprüche Dritter dürfen bei der Namenswahl nicht missachtet werden, wobei man sich auf internationale Abkommen wie die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und den UN-Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte beruft. Schließlich dürfen die Namen der Adresszonen auch nicht den Normen der herrschenden Moral und öffentlichen Ordnung widersprechen – auch für diese wohl schwierigen Entscheidungen sollen die internationalen Abkommen einschließlich der verschiedenen WIPO-Verträge und selbst das TRIPS-Abkommen herangezogen werden.

Die Vertreter nichtkommerzieller Nutzer innerhalb der ICANN hatten hier erhebliche Bedenken angemeldet. Sie fürchten die Blockade einer Vielzahl von Zonenkürzeln, sei es von Seiten der Markenrechtsinhaber oder diktatorischer Regimes. Aufgenommen wurde in den Prinzipienkatalog immerhin auch, das bei der Bewertung einer neuen Adresszone auch das verbriefte Recht des Bewerbers auf freie Meinungsäußerung zu berücksichtigen sei. Einsprüche gegen eine neue Adresszone mit der Begründung, dass sie von einer mit der Adresszone gezielt angesprochenen oder betroffenen Gemeinschaft abgelehnt wird, soll ein externes Expertenteam prüfen.

Vor Reservelisten für geographische Namen wie etwa .berlin hat eine spezielle Arbeitsgruppe abgeraten. Allerdings seien hier die Regeln des ICANN-Regierungsbeirates einzubeziehen, und der will, dass geographische Adressen nicht ohne die Zustimmung der jeweiligen Administration vergeben werden. Allerdings verweist das Konsultationsdokument auch hier auf Umsetzungsregel Nummer 20: Einsprüche müssen Substanz haben. (Monika Ermert) / (vbr)