Photovoltaik-Boom sorgt für mehr CO2-Emissionen

Das starke Wachstum der Photovoltaik hat im vergangenen Jahr allein in Deutschland per saldo für 400.000 Tonnen mehr Kohlendioxid-Austoß gesorgt. Das berichtet das Technologiemagazin Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 4/2007.

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Der Boom von Sonnen- und Windenergie hat auch seine ökologischen Schattenseiten: So hat das starke Wachstum der Photovoltaik im vergangenen Jahr allein in Deutschland per saldo für 400.000 Tonnen mehr Kohlendioxid-Austoß gesorgt. Denn vor allem die Herstellung von Silizium ist ein höchst energieintensiver Prozess: Laut dem Institut für Elektrische Energietechnik der Technischen Universität Berlin dauert es zwischen 25 und 57 Monaten, bis Solarzellen so viel Energie erzeugt haben, wie für ihre Produktion verbraucht wurde. Daraus lässt sich berechnen, dass die Produktion der 750 Megawatt an Photovoltaik-Leistung, die 2006 in Deutschland neu installiert wurden, 1,5 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen verursacht hat. Im selben Jahr wurden in der Bundesrepublikmit Hilfe des Solarstroms (ca 2500 Megawatt installierte Gesamtleistung) rund 1,1 Millionen Tonnen CO2 eingespart.

Grundlage für diese Berechnung sind der Mittelwert der von der TU Berlin ermittelten energetischen Amortisationszeit sowie CO2-Emissionen beziehungsweise -Einsparungen nach dem derzeitigen weltweiten Energiemix. Auf lange Sicht bessert sich die CO2-Bilanz von Photovoltaik allerdings beträchtlich: Bei einer Lebensdauer von 30 Jahren holen Solarzellen zwischen 6- und 14-mal so viel Energie herein, wie ihre Produktion verbraucht hat. Bei einer sorgfältigen Installation ist die angenommene Langlebigkeit selbst bei Solarmodulen der ersten Generation realistisch, wie Tests an der TU Berlin gezeigt haben.

Dazu kommt aber auch: Der Ausbau der "dargebotsabhängigen Energieformen" wie Sonne und Wind führt nicht automatisch dazu, dass CO2-Schleudern vom Netz genommen oder nicht gebaut werden. Denn bis heute gibt es keine wirtschaftlichen Speicher für diese "volatilen" Energieformen – der Puffer zwischen Angebot und Nachfrage wird vom Stromnetz gebildet. Die etablierte Stromwirtschaft investiert längst Millionenbeträge in Windprognosen, weil diese die Einsatzpläne der konventionellen Kraftwerke entscheidend beeinflussen. Denn typische Spitzenlastkraftwerke wie Gaskraftwerke werden eigentlich nur dann angefahren, wenn der Preis an der Strombörse gerade hoch genug ist – es sei denn, eine plötzliche Flaute zwingt die Versorger zur schnellen Bereitstellung zusätzlicher Energie. Umgekehrt kann es auch passieren, dass mehr regenerative Energie eingespeist wird als eigentlich geplant. Dann müssen die konventionellen Kraftwerke im ungünstigen Teillastbetrieb gefahren werden.

Je größer die installierte Windleistung, desto bedeutender wird das Planungsproblem. Die so genannte "Day-Ahead-Prognose", mit der deutschlandweit die Einspeisung der Windenergie geplant wird, hat zwar nur eine mittlere Abweichung von sechs Prozent, sagt Philipp Siemes, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft der RWTH Aachen. Aber: "Für die Planung ist natürlich nicht die durchschnittliche Abweichung maßgeblich, sondern die größte. Und die kann durchaus auch mal bei 30 Prozent der installierten Leistung liegen – das heißt, wir reden hier über rund sechs Gigawatt." Weil die typische Blockgröße eines konventionellen Kraftwerks bei 600 bis 800 Megawatt liegt, sind also einige konventionelle Kraftwerke im Spiel – die als Reserve trotzdem am Netz bleiben müssen. Das so genannte Substitutionspotenzial, also der Anteil an konventionellen Kraftwerken, die beim Ausbau regenerativer Energien vom Netz genommen werden kann, liegt nach einer Studie der RWTH Aachen für Windenergie bei ewa 14 Prozent. "Eine CO2-freie Utopie mit 70 Prozent regenerativen Energien funktioniert also einfach nicht", sagt Mario Adam, Energiespezialist an der FH-Düsseldorf.

Mehr dazu in TR 04/07 (seit dem 29. 3. am Kiosk und online bestellbar):

  • Der Charme des Dezentralen

(wst)