WOS 4: Musikmarktexperten argumentieren für Flatrate-Modell

Der ehemalige Pink-Floyd-Manager Peter Jenner, Vertreter der französischen Kulturflat-Bewegung und der US-Lizenzierungs-Experte Bennett Lincoff stellten auf der WOS ihre Vorschläge für die Zukunft der Musikmärkte vor.

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Von
  • Monika Ermert
5 Dollar Flatrate für 600 Millionen Internetnutzer weltweit und Filesharing wäre kein Problem mehr. "Sie könnten dann mit ihrer Musik machen, was immer sie wollten," sagte Peter Jenner, ehemaliger Manager von Pink Floyd und heute Secretary General der Organisation International Music Managers Forum (IMMF) auf der vierten Wizard of OS (WOS 4) in Berlin. Neben Jenner stellten auch Vertreter der französischen Kulturflat-Bewegung und der US-Lizenzierungs-Experte Bennett Lincoff, ehemaliger Jurist bei der US-Verwertungsgesellschaft American Society of Composers, Authors and Publishers (ASCAP), ihre Vorschläge für die Zukunft der Musikmärkte vor.
Jenner widersprach entschieden Vorschlägen, Musik oder andere Inhalte könnten künftig völlig frei getauscht werden. Musikern vorzuschlagen, allein von ihren Auftritten zu leben, sei Unsinn, so Jenner, der vor seiner Managerkarriere an der London School of Economics forschte. Die Musikflatrate dagegen eröffne auch für die Musikindustrie durchaus neue Möglichkeiten. Ihr komme etwa die Aufgabe des Sichtens, Paketierens und Bedienens von extremen Nischenmärkten zu. Alle an der Musikverwertungskette Beteiligten müssten allerdings im neuen Markt ihre Existenzberechtigung unter Beweis stellen. Pay-per-Click-Varianten, auf die die Musikindustrie große Hoffnungen setzt, räumt Jenner keine Zukunft ein. Er sieht den iTunes-Markt bereits stagnieren.
Um so bedenklicher ist für Cornelia Kutterer, Juristin beim Dachverband Europäischer Verbraucherschutzorganisationen BEUC in Brüssel, die Haltung der EU. "Die Kommission befürwortet das Pay-per-Use- stärker als ein Lizenzmodell", so Kutterer. "Dafür gibt es aber eigentlich keine gute ökonomische Begründung." In der Telekommunikationsindustrie gehe der Trend gerade von den Minutenabrechnungen zur Flatrate. Kutterer zeigte sich auch besorgt über die verschiedenen gesetzgeberischen Initiativen, mit denen das Pay-per-Click-Modell abgesichert werden soll. Vor allem eine Verschiebung der Haftung in Richtung auf die Internet Service Provider und das vermehrte Bemühen des Strafrechts, in der von der EU derzeit diskutierten Nachfolgeregelung zur so genannten Durchsetzungsrichtlinie, wiesen in diese Richtung. Die Haftungsprivilegierung der Provider steht mit der Überprüfung der E-Commerce-Richtlinie im kommenden Jahr zur Disposition.
"Die Kulturflatrate hätte ein Mehr von 2,3 Millionen Euro für Künstler gebracht. Jetzt bekommen die nach wie vor nichts," sagte Alexandre Grauer, Vorsitzender des Electronic Music Qwartz Awards. Grauer berichtete vom Kampf um die französische Flatrate. Lobbyisten der Musikindustrie seien im Parlament ein- und ausgegangen, während die Aktivisten von der Zuschauertribüne des Parlamentes aus zugesehen hätten. "Was wir jetzt tun können? Ich glaube, wir brauchen eine Revolution."
Der US-Jurist Lincoff warb in Berlin für ein am Datenverkehr orientiertes Lizenzmodell. Aus seiner Sicht ist der Abschied vom verkaufsbasierten Modell wichtig. Eine allgemeine Lizenz für die digitale Übertragung (digital transmission license) – derzeit fallen für Webcaster häufig zwei verschiedene Lizenzgebühren an – soll über die Provider abgerechnet werden. Die Industrie solle sich darauf konzentrieren, die Datenübertragungen zu messen. Übergangsweise seien Geräteabgaben sinnvoll.
Die Konzentration der abrechnenden Verwertungsgesellschaften könnte sich aber für die Verbraucher letztlich als Bumerang erweisen, fürchtet Kutterer. Je monopolartiger die Strukturen, desto schlechter die Verhandlungsposition der Verbraucher. Kutterer sieht daher auch die Bestrebungen in der EU-Kommission zur Konzentration der Verwertungsgesellschaft mit gemischten Gefühlen. Mit Spannung warten die Verbraucherschützer nach Aussage von Kutterer derzeit auf Empfehlungen zu Urheberrechtsabgaben, die demnächst veröffentlich werden sollen. Die Kommission reagiere damit auf den Umstand, dass die Urheberrechtsabgaben derzeit eher steigen, trotz Zunahme von DRM-Modellen.