Die Woche: Fertig!

Keine neuen Features mehr für Thunderbird – diese Ankündigung scheint kaum einen Nutzer ernstlich zu beunruhigen. Vielleicht muss man sich an den Gedanken gewöhnen, dass auch Software irgendwann fertig sein kann?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 158 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Dr. Oliver Diedrich

Da erklären die Mozilla-Entwickler, sie wollten keine neuen Funktionen für Thunderbird mehr implementieren – und statt eines empörten Aufschreis gibt es größtenteils positive Reaktionen: "Super Nachricht", "sehr gut", "absolut ok", so der Tenor der meisten Kommentare zumindest im Heise-Forum. Die meisten Anwender sind sich offenbar einig: Eigentlich kann Thunderbird alles, was ein IMAP-Client können muss; und auf eine ordentliche Kalenderintegration à la Outlook in Thunderbird hofft offenbar sowieso niemand mehr (obwohl eine ernsthafte Outlook-Alternative nicht nur in der Linux-Welt dringend fehlt, aber das ist ein anderes Thema).

Tatsächlich sind Updates und neue Funktionen nichts, was die meisten User schätzen – diese Erkenntnis hat ausgerechnet ein Ex-Mozilla-Entwickler schön auf den Punkt gebracht. Unter der Überschrift Everybody hates Firefox updates erklärt Jono Brain, der die Mozilla Corporation vor kurzem nach vier Jahren Mitarbeit verlassen hat, wieso Anwender eben gerade keine neuen Versionen von Programmen haben wollen, mit denen sie täglich arbeiten: Updates sind lästig.

Für Entwickler, schreibt Jono, sind neue Programmversionen etwas Tolles, schließlich sichern sie ihnen den Job. Aus Anwendersicht hingegen ist jedes Update eine Zumutung: Man muss seine Arbeit unterbrechen, die alte Programmversion beenden und die neue Version starten; man weiß nie, ob nach dem Update noch alles funktioniert; und wenn sich die Bedienoberfläche geändert hat, muss man sich zudem auch noch umgewöhnen.

(Bild: Christiann MacAuley, Sticky Comics)

Die Belästigung durch ein Update ist für User überhaupt nur dann akzeptabel, wenn es eine echte Verbesserung bringt. Jono Brain argumentiert so gegen die vor einem Jahr eingeführten Updates im Sechs-Wochen-Rhythmus bei Firefox, die natürlich immer nur kleine Fortschritte bringen können, aber Firefox-User vor allem unter Windows regelmäßig belästigen. (Unter Linux, wo sich das Betriebssystem um die Softwareverwaltung und damit auch um die Updates kümmert, ist das ein viel kleineres Problem – schön dargestellt in diesem Comic von Christiann MacAuley .)

Dass das Mozilla-Team nun bei Thunderbird den entgegengesetzten Weg geht und gar keine neuen Versionen mehr veröffentlichen will, finde ich sehr vernünftig. Entwickler sollten, statt immer weiter neue Features zu erfinden, auch mal den Mut haben, ein Programm für fertig zu erklären. Das Problem betrifft kommerzielle Software ebenso wie Open-Source-Projekte: Wo ein Hersteller regelmäßig neue Releases braucht, um sie seinen Kunden zu verkaufen, wird bei Open-Source-Software gerne die Entwickleraktivität als Maß für die Bedeutung des Projekts genommen. Danach zu urteilen (und auch diese Meinung gibt es) wäre die Ankündigung von Mozilla dann natürlich der Anfang vom Thunderbird-Ende.

Aber vielleicht müssen Programmierer wie User einfach umdenken und akzeptieren, dass Software irgendwann eben fertig ist und dann in einen Wartungsmodus fällt, in dem nur noch Bugs gefixt werden. Bei Unternehmens-Software ist das schon länger so – da zahlen Firmen sogar dafür, dass sie Uralt-Software weiterverwenden dürfen und nicht auf aktuelle Versionen updaten müssen. Dass auch viele Anwender Update-müde sind, zeigen die genervten Reaktionen auf neue Softwareversionen – egal, ob es sich um ein Betriebssystem handelt (Windows 8) oder um einen Desktop (Gnome 3).

In vielen Bereichen haben die Anwendungen längst einen Funktionsumfang erreicht, der den meisten Nutzern reicht. Die schöne neue App-Welt der Smartphones und Tablets (und demnächst womöglich auch des des Ubuntu-Desktops) zeigt schon in eine ganz andere Software-Richtung: Einfache, übersichtliche Progrämmchen, die genau die eine Aufgabe erfüllen, für die sie gedacht sind – weniger flexibel als die mächtigen PC-Anwendungen, aber ohne großen Konfigurations- und Lernaufwand zu bedienen. Sozusagen eine Neuinterpretation des klassischen Unix-Prinzips "ein Tool für eine Aufgabe".

So ein Programm kann dann auch tatsächlich mal fertig sein. (odi) (odi)