Weiter offene Fragen zur Online-Durchsuchung

Das sommerliche Rätselraten über die Ausgestaltung der Online-Durchsuchung geht weiter. Während das BKA angeblich von der Darstellung der Offline-Installation des Bundestrojaners abrückt, hat die SPD ihren Fragenkatalog zur Online-Durchsuchung vorgelegt.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Das sommerliche Rätselraten über die konkrete Ausgestaltung der Online-Durchsuchung geht munter weiter. Während Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einem Interview mit dem Deutschlandfunk nur die bisher bekannten Argumente wiederholt, deutet sich beim Bundeskriminalamt ein Abrücken von der Offline-Variante an: Eine Darstellung des Computermagazins Chip, nach der eine angeblich so genannte Remote Forensic Software als "Wanze" händisch auf Computern von Verdächtigen installiert werde, sei nicht mit vom BKA autorisiert worden, berichtet die Financial Times Deutschland.

Es darf demnach weitergerätselt werden, wie eine Online-Durchsuchung aussehen mag. Die weitaus meisten Fragen hat dabei, wie bereits berichtet, die Regierungspartei SPD, die offenbar Mühe hat, dem Drängen des Koalitionspartners CDU nach dem "Bundestrojaner" nachzugeben. Sie will in einer für den 27. August geplanten Anhörung beim Bundesinnenministerium nicht weniger als 45 Fragen zur heimlichen Festplattenfahndung stellen. Den Inhalt des Fragenkataloges (PDF-Datei) stellte die SPD nun über den Blog des ULD-Mitarbeiters Markus Hansen zur öffentlichen Debatte. Deutlich wird bei der Lektüre, dass nicht nur Bedenken eine Rolle spielen, ob die Online-Durchsuchung in forensischer Hinsicht (gerichtsverwertbare Beweissicherung) Sinn ergibt. Vielmehr befürchtet die SPD eine "Vernachrichtendienstlichung" der Polizeiarbeit, die ausforscht wie ein Nachrichtendienst, ohne sich groß um die Folgen zu kümmern, die ein Spionageprogramm in einem Computer produziert. Wer um jeden Preis auf die Festplatte eines Verdächtigen kommen will, für den sind die Fragen des Kataloges uninteressant, wie eine Durchsuchung ordentlich beendet werden kann. Auch beim so genannten "Richterband" einer Online-Durchsuchung zeugen die Fragen von großer Skepsis. Kein Richter könne erkennen, ob die vorgelegten Dateibestände nicht manipuliert seien.

Neben der "Vernachrichtendienstlichung" der Polizei bleibt die Frage übrig, was aus dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wird. Mit der Einführung einer Technik, die heimlich Festplatten durchsucht, könnte die Behörde obsolet werden, die IT-Sicherheit predigt. Tatsächlich zeigt die Antwort der Bundesregierung (PDF-Datei) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion, dass sich das BSI verstärkt um die Behördenkommunikation kümmern soll. Eine eindeutige Antwort gibt es auf die Frage der FDP, ob die geplante Zertifizierung von Sicherheitsunternehmen und -produkten durch das BSI im Zusammenhang mit der Online-Durchsuchung steht: Nein. Befürchtungen, dass zertifizierte Antivirus- oder Antispyware-Software darauf hindeutet, dass ein Hintertürchen für die Online-Durchsuchung offen bleibt, sollen gar nicht erst aufkommen. Dennoch wäre die Backdoor-Komponente die erfolgverprechendste Lösung – für die heimliche Dursuchung durch das BKA, aber auch durch andere Organisationen.

Vor dem Hintergrund der deutschen Debatte ist die erweiterte Neuauflage von "Privacy on the Line. The Politics of Wiretapping and Encryption" von Whitfield Diffie und Susan Landau eine anregende Lektüre, wie der Vorabdruck in der US-amerikanischen Computerworld zeigt. Diffie und Landau sind bei Sun Microsystems angestellt und gehören zu den profiliertesten Forschern auf dem Gebiet der Verschlüsselung und Computersicherheit. Sie schreiben, dass die Kontrolle in einer Gesellschaft in der Kontrolle über die Kommunikation bestimmt ist. Die Auseinandersetzungen um Hintertüren in einer Software oder staatlich verordnete Verschlüsselungschips in der Hardware hat nach Ansicht der Autoren die abstrakte Debatte um bürgerliche Freiheiten abgelöst.

Die heimliche Online-Durchsuchung von Computern stößt bei vielen Datenschützern und Juristen auf Skepsis. Sie melden grundsätzliche Bedenken an und warnen vor eventuell angestrebten Grundgesetzänderungen. Siehe dazu:

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)