Der lange Marsch der Roboter

Noch sind Fabrikarbeiter in China so billig, dass sie nicht wegrationalisiert werden. Doch die Anzeichen mehren sich, dass den Wanderarbeitern schon bald die Industrieroboter folgen werden.

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Von
  • Christina Larson

Noch sind Fabrikarbeiter in China so billig, dass sie nicht wegrationalisiert werden. Doch die Anzeichen mehren sich, dass den Wanderarbeitern schon bald die Industrieroboter folgen werden.

Eine der großen Erzählungen des modernen China ist die der Wanderarbeiter. Zig Millionen, oft sehr junge Frauen, machen sich vom Land auf in die Millionenstädte vor allem an der Küste, um dort einen Krümel vom chinesischen Wirtschaftwunder abzubekommen. In den Fabriken wie denen von Foxconn fertigen sie in Zwölf-Stunden-Schichten für wenig Lohn die Spielzeuge des digitalen Lifestyles, die Apple, Samsung, Sony oder Dell entwickelt haben.

Als Terry Guo, Milliardär und tatkräftiger CEO von Foxconn, im vergangenen Jahr ankündigte, eine Million Industrieroboter für seine Werke anzuschaffen, war das angesichts des Heeres billiger Arbeitskräfte schon überraschend. Doch auch Guo will nachvollziehen, was viele Industriehersteller in anderen Ländern im Laufe der Jahrzehnte gemacht haben: die Fertigungsstraßen weitgehend automatisieren. Bis 2014 sollen die Roboter in die Werkshallen einziehen.

Dabei hat gerade Foxconn, das größte chinesische Unternehmen in privater Hand, wie keine andere Firma auf billige Arbeitskräfte gesetzt. Sollte die Robotisierung kommen, dann nicht nur, weil man den Kostenblock Arbeit verringern möchte. Foxconn will damit wohl auch der Kritik an Arbeitsbedingungen und Hungerlöhnen in seinen Fabriken begegnen.

„Die Automatisierung ist der Anfang vom Ende der Fabrikmädchen, und das ist gut so“, findet David Wolf, IT-Analyst in Peking, der viele chinesische Werke von innen gesehen hat. Auch in China werde sich die Arbeitswelt umkrempeln, ebenso wie in den USA die Scharen der Näherinnen oder Sekretärinnen von einst verschwunden seien, prognostiziert Wolf.

Guo hat seit der Ankündigung keine weiteren Details verlauten lassen. Beobachter spekulieren deshalb, dass die Pläne gar nicht so ernst zu nehmen sind. Die PR-Firma von Foxconn, Burston Marsteller, lehnt jeden Kommentar dazu ab. Und bei Handelsverbänden weiß man bislang nichts von Großbestellungen von Industrierobotern durch Foxconn. Möglicherweise entwickelt das Unternehmen die aber auch selbst.

„Guo tut gut daran, nicht zu viel Wind um die Sache zu machen“, sagt Wolf. Die Zurückhaltung könnte am Ende ein Wettbewerbsvorteil sein. Ein weiterer möglicher Grund: Weil sich auch die chinesische Konjunktur abgekühlt hat, wäre es politisch nicht sehr geschickt, den Job-Abbau zugunsten von Industrierobotern an die große Glocke zu hängen.

Denn für das Politbüro in Peking sichern hohe Beschäftigungszahlen den sozialen Frieden. Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist den Staatslenkern in Peking so wichtig, dass sie manchmal gar auf Kosten der Effizienz geht. So würden arbeitssparende Technologien nicht automatisch eingesetzt, nur weil sie zur Verfügung stehen, weiß Wang Mengshu, einer der leitenden Ingenieure der China Railway Tunnel Group. „Wenn wir alle Tunnel mit der neuesten Ausrüstung bohren würden, bräuchten wir nicht mehr sechs Millionen Wanderarbeiter für den Job“, sagt Wang. „In manchen Bereichen verzichten wir auf eine schnelle Entwicklung, um das nationale Beschäftigungsproblem zu lösen.“

Rund 300.000 Arbeiter sind in Foxconns Fabrikkomplex von Longhua derzeit beschäftigt. Dort werden die Produkte von Apple zusammengebaut. Viele Arbeiter verbringen den größten Teil ihres wachen Tages am Fließband, eingepackt in weiße Kittel, Gesichtsmasken und Haarnetze. Kein Haar, kein Staubkorn soll die Präzision ihrer Arbeit beeinträchtigen.

Viel Abwechslung gibt es dabei nicht: Jeder Arbeiter macht in einer endlosen Wiederholung eine einzige Bewegung – bringt etwa Aufkleber auf dem Gehäuse von iPhones auf. 325 solcher Einzelschritte sind nötig, um ein iPad fertigzustellen.

Solche durchstrukturierten und ständig wiederholten Arbeitsschritte seien prädestiniert für eine Automatisierung, sagt Jamie Wang, Analyst in Taiwan beim Marktforscher Gartner. Industrieroboter, üblicherweise mit einem freibeweglichen Arm ausgestattet, wissen über Laser- und Drucksensoren, wann ein Arbeitsschritt beginnen muss und wann er fertig ist. Ein Roboter kann 160 Stunden in der Woche laufen. Das schafft kein Mensch. Je nach Spitzfindigkeit eines Arbeitsganges kann ein Roboter bis zu vier Arbeiter einsparen helfen.

Allerdings, so Wang, könne Foxconn Roboter nicht einführen, ohne seine gesamten Fertigungsabläufe neu zu justieren. Auch das dürfte den großen Jobabbau über Nacht verhindern. Kleinere Firmen wiederum können sich Industrieroboter nicht unbedingt leisten – zumal die Löhne mit 315 bis 400 Dollar pro Monat am Perlfluss-Delta immer noch niedrig seien, sagt Liu Kaiming von der Industriearbeitsorganisation Institute of Contemporary Observation in Shenzhen.

Dass die Robotisierung begonnen hat, dafür gibt es allerdings schon erste Anzeichen. Laut der International Federation of Robotics (IFR) in Frankfurt haben chinesische Hersteller im vergangenen Jahr 22.600 Industrieroboter gekauft, 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die IFR schätzt, dass China in den nächsten zwei Jahren Japan als größten Markt für Industrieroboter überholen wird. „Dann wird das ein ganz heißes Thema in China“, prophezeit Wolf. (nbo)