Der Long Tail und die Konserven

Unter dem Motto "Wag the Long Tail" debattierten auf einer Konferenz in Köln Vertreter aus Wirtschaft und Politik über die Chancen und Risiken des Web 2.0 für die Medienunternehmen.

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Von
  • Torsten Kleinz

Unter dem Motto "Wag the Long Tail" trafen sich am gestrigen Freitag in Köln Vertreter aus Wirtschaft und Politik, um über die Herausforderungen und Chancen des Web 2.0 zu diskutieren. Während sich die Content-Produzenten fragen, wie sie ihre Inhalte gleich mehrfach verwerten können, sucht die Politik immer noch ihre Rolle im digitalen Zeitalter. Der Begriff "Long Tail" wurde erstmals 2004 von dem Wired-Autoren Chris Anderson geprägt. Anderson fasst mit dem Begriff seine These zusammen, dass sich auf langes Sicht in vielen, ausdifferenzierten Nischen mehr Geld verdienen lässt als in wenigen Mainstream-Märkten. In Zeiten von Breitband-Internet und zunehmender Netz-Affinität stellen solche vergleichsweise einfachen Erkenntnisse die Geschäftsmodelle der traditionellen Medienbranche auf den Kopf.

Wo Geld verdient wird, ist die Politik nicht weit. Barbara Gessler, Vertreterin der EU-Kommission in Deutschland, sprach in Köln von der großen Bedeutung der Internetwirtschaft. Bis 2010 rechnet die Kommission beim Verkauf digitaler Dienste mit einer Steigerung von 400 Prozent, insgesamt 8,3 Milliarden Euro sollen dann in diesem Bereich verdient werden. Die Kommission ergründet derzeit, ob sie dazu einen Beitrag leisten kann und soll. "Es gibt starke Voten, dass man sich in den jungen und dynamischen Markt nicht einmischen soll", erklärte Gessler. So sei der europäische Markt durch unterschiedliche Urheberrechtsgesetze stark fragmentiert, auf der anderen Seite würden diese Schwellen auch die kulturelle Vielfalt in Europa fördern. Im Oktober will die Kommission auf einer Konferenz einen Bericht vorstellen, der sich mit diesen Fragen beschäftigt.

Auch das Streitthema digitales Rechtemanagement (DRM) soll dabei zur Sprache kommen: "Für die Europäische Kommission steht fest, dass digitales Rechtemanagement die Auswahl und den Wettbewerb nicht behindern darf", bekräftigte Gessler. Last.fm-Manager Stefan Glänzer begrüßte den Gedanken einer paneuropäischen Lizenzierung von Inhalten. Die Musik-Plattform bemühe sich in allen Ländern um Zusammenarbeit mit Behörden und Rechte-Inhabern – alleine bei der deutschen GEMA sei es aber möglich gewesen, das interaktive Streamen von Musik problemlos zu lizenzieren.

Für die klassischen Medienhäuser stellt sich die Frage des Einflusses von Web 2.0 und Breitbandinhalten auf ihre Geschäftsmodelle. "Nur findbarer Content ist relevanter Content“, erklärte Heiko Hebig von Burda Media. Deshalb müssten sich Medienhäuser darum bemühen, ihre Inhalte so gut wie möglich erreichbar zu machen. Susanne Stürmer vom Fernsehproduzenten UFA schilderte den Einfluss des Internets auf das Potsdamer Traditionsunternehmen. Zwar seien große TV-Events immer noch enorm gefragt, gleichzeitig könnte man in Deutschland mittlerweile auf insgesamt 700 TV-Kanäle zugreifen. Von dieser Programmvielfalt versucht UFA auf vielfältige Weise zu profitieren. Auf der einen Seite werden klassische Inhalte mehrfach verwertet – etwa in einem Pay-Kanal für TV-Soaps –, zum anderen produziert UFA auch immer mehr für kleine Nischen. So hat das Unternehmen in Zusammenarbeit mit dem Verlagshaus Gruner und Jahr Hunderte TV-Clips für eine Koch-Plattform im Internet produziert.

Aber auch auf die klassischen Fensehinhalte haben Videoportale Einfluss. "Die Zuschauer akzeptieren auch eine wackligere Kamera oder eine weniger aufwändige Ausleuchtung", erklärt Stürmer. Auf der anderen Seite der Verwertungskette stellt sich das Problem anders dar: Sushel Bijganath von RTL Online erklärte, er glaube nicht daran, dass sich Inhalte verkaufen ließen, die auf anderen Wegen frei erhältlich seien. Deswegen setzt die Sendergruppe nicht vorrangig auf Bezahl-Inhalte, sondern finanziert ihre Online-Aktivitäten vorwiegend über Werbung. Zudem könnten Nutzerportale vielfältigen Nutzen entfalten – von der Zuschauerbindung bis zur Gewinnung neuer Mitarbeiter.

In der langen Folge von Produktpräsentationen dieses Tages hatte Stefan Wess vom Theseus-Projektkoordinator Empolis wenig zu bieten. In aller Eile stürmte er durch die Grundgedanken des Theseus-Programms, das inzwischen über 30 Kooperationspartner aus Wirtschaft und Forschung aufweisen kann. Die Aufgabenteilung ist einfach: Während die Forscher die Basistechnologien bereitstellen, soll sich die Industrie um Anwendungsszenarien kümmern. Insgesamt 180 Millionen Euro sollen alle Partner in den kommenden fünf Jahren investieren. Den Auftakt für das Programm bildet eine Konferenz im November in Berlin. Danach beginnt ein Talent-Wettbewerb, mit dem das Theseus-Konsortium Studenten ansprechen will. Auch zur Open-Source-Szene wollen die Projekt-Koordinatoren fruchtbare Kontakte knüpfen. (Torsten Kleinz) / (vbr)