In 10.000 Jahren

Wenn wir endlich ein Endlager für Atommüll gefunden haben, fangen die Probleme erst richtig an: Wie stellt man sicher, dass nicht irgendjemand in 10.000 Jahren das Zeug wieder ausgräbt?

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Wenn wir endlich ein Endlager für Atommüll gefunden haben, fangen die Probleme erst richtig an: Wie stellt man sicher, dass nicht irgendjemand in 10.000 Jahren das Zeug wieder ausgräbt?

Draußen geht grade mal wieder die Welt unter: Es weht, es schüttet, und kalt und dunkel ist es auch. Dazu passt die Lektüre der FAZ: Der Artikel „Graben verboten! Suche nach sinnvollen Warnhinweisen auf Endlagern“ liefert das passende Quäntchen Endzeitatmosphäre.

Denn es geht um die Frage, wie wir verhindern wollen, dass unsere unbedarften Nachfahren genau da Salz fördern, wo wir die Fässer mit dem hochradioaktiven Müll verbuddelt haben. 10.000 Jahre in der Zukunft. Wer weiß, ob die Leute dann überhaupt noch lesen und schreiben.

Wenn wir noch soviel Zeit haben, warum taucht die Frage ausgerechnet jetzt auf? Nein, das ist keine Guerilla-Marketing-Aktion des Umweltministers, der für seine neue Endlagerbehörde werben will. Anlass für die Story war ein Vortrag von Patrick Charton von der französischen Atommüllbehörde ANDRA auf dem European Science Open Forum, einer interdisziplinären Tagung, die alle zwei Jahre stattfindet.

Charton berichtete in Dublin von seiner Arbeit an einer möglichen Lösung für die oben gestellte Frage: eine handtellergroße Scheibe aus Saphir mit Gravuren, die eine Mindesthaltbarkeit von einer Million Jahre haben soll. Aber viele Fragen bleiben offen: Etwa, wie die Nachricht kodiert werden soll - schließlich können wir nicht davon ausgehen, dass unsere Nachfahren in 10.000 Jahren das Radioaktivitätssymbol immer noch kennen.

Die Kommunikation mit der Zukunft ist offenbar nicht minder schwierig als die mit - möglicherweise existierenden - außerirdischen Zivilisationen. Die Atomenergieagentur (NEA) der OECD hat extra eine Arbeitsgruppe zu dem Thema eingerichtet, auf deren Website eine Übersicht der Literatur zu dem Thema zu finden ist. Am lustigsten fand ich die Idee, Lebewesen als Informationsträger zu benutzen - also zum Beispiel Katzen zu züchten, die nachts leuchten, wenn sie in die Nähe eines Atomendlagers kommen. Oder Blumen, die nur dort wachsen. Wenn das mal nicht neugierig macht...

Richtig pessimistisch stimmt mich allerdings, am Beispiel der aktuellen Berichte zu verfolgen, wie kurz das menschliche Gedächtnis ist. Im Internet ist die Story jetzt von Science aufgebracht worden. Andere Medien reduzierten sie dann noch weiter auf den Hardware-Aspekt: "Das ist die teuerste Festplatte der Welt."

Dabei ist das Problem bereits in den 1970er Jahren sehr viel radikaler diskutiert worden: Der Semiotiker Thomas Seboek schlug damals bereits vor, eine atomare Priesterschaft zu gründen, die das Wissen um Nutzen und Gefahren der Atomenergie genauso über die Zeit transportieren sollte, wie konventionelle Religionen das mit ihren Überlieferungen tun. Der Vorschlag ist schnell wieder in der Versenkung verschwunden, weil die Idee sich dann doch zu gruselig anhört. Vielleicht, weil sie zu dicht an der Wahrheit ist. (wst)