Die Woche: Die Linux-Spiele kommen

Die Ankündigung von Valve, seine Spieleplattform Steam samt Left 4 Dead 2 auf Linux zu portieren, hat in dieser Woche Wellen geschlagen. Kommerzielle Spiele im Ubuntu Software-Center und der Erfolg der Humble Bundles zeigen: Linux-Anwender sind bereit, für Spiele zu bezahlen.

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Auf den Rechnern vieler spielebegeisterter Linux-Anwender hält sich hartnäckig eine Windows-Partition. Sicher laufen viele Spiele auch mit Wine oder Crossover, doch mitten im Gefecht haben die wenigsten Zocker Verständnis für niedrige Framerates und störende Bugs. Wer sich bei einem Spielchen entspannen will, hat oft auch keine Lust, zuvor noch diverse Probleme zu lösen oder Einschränkungen hinzunehmen – schon gar nicht, wenn das Spiel teuer erworben wurde.

Wenn Valve nicht zuviel verspricht, werden Steam und L4D2 unter Linux genauso gut laufen wie unter Windows; und weitere Spieletitel sollen folgen. Das würde ein altes Argument gegen Linux entkräften: dass es keine attraktiven Spiele für das freie Betriebssystem gibt.

Valve ist Marktführer bei Online-Spielen und Spiele-Downloads und hat diesen Schritt sicher gut kalkuliert. Offenbar ist man dabei zu dem Schluss gekommen, dass Linux – und insbesondere Ubuntu – sich allmählich zu einer lohnenden Spieleplattform mausert. Mit seiner Meinung steht Valve nicht allein.

Spiele-Publisher Electronic Arts (EA) hat schon seine Fühler in diese Richtung ausgestreckt. In einer Kooperation mit Canonical bietet EA zwei Spiele kostenlos über das Ubuntu Software-Center an (Command & Conquer Tiberium Alliances und Lord of Ultima). Beides sind Gratis-Spiele für den Webbrowser, die sich auch ohne Installation spielen lassen. Beim "Kauf" über das Software-Center liefern sie aber Informationen darüber, wie groß das Interesse an Linux-Spielen ist. Die Spiele-Plattform Desura bietet bereits seit Ende 2011 einen Linux-Client an, über den sich kostenlose, aber auch kommerzielle Spiele erwerben und spielen lassen.

Das Humble Indie Bundle V war ein voller Erfolg.

Die Humble Bundles haben es vorgemacht: Seit 2010 erfreuen sich die in unregelmäßigen Abständen geschnürten Spielepakete zu einem selbst gewählten Kaufpreis immer größerer Beliebtheit. Das letzte Humble Bundle soll knapp 600.000 mal verkauft worden sein und rund 5,1 Millionen US-Dollar eingespielt haben. Zwar machen Linux-Anwender nur 9,4 Prozent der Käufer aus (bei allen Humble Bundles zusammen genommen); sie sind aber bereit, deutlich tiefer als Windows- oder auch Mac-Anwender in die Tasche zu greifen, und bestreiten gut 16 Prozent der Einnahmen. Das Vorurteil, Linux-Anwender seien nicht bereit, für Software zu bezahlen, dürfte damit vom Tisch sein.

Wer will, erhält für die Humble-Bundle-Spiele auch einen Steam-Key und kann die erworbenen Spiele dann über Valves Spieleplattform herunterladen und spielen. Mit etwas Glück gilt das bald auch für Linux-Anwender. Ubuntu-Anwender können schon jetzt die Spiele des Humble Indie Bundle V über das Ubuntu Software-Center installieren. Hier zählen die Indie-Spiele übrigens zu den Top-Ten der gekauften Anwendungen.

Mit Oilrush ist bereits ein aktuelles, kommerzielles Spiel über das Ubuntu Software-Center verfügbar und damit leicht zu installieren. Zum Kauf ist ein Konto bei Ubuntu One nötig.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Völlig langweilen musste sich die spielefreudige Linux-Anwenderin auch bisher nicht. So listet etwa die Spielerubrik im Ubuntu Software-Center über 600 Einträge auf, die von kleinen Tetris-, Sudoku- und Kartenspielen über Arcade-Klassiker bis hin zum kommerziellen Strategiespiel Oil Rush reichen. Noch immer sind die Linux-Portierungen einiger älterer Windows-Spiele von Loki Entertainment Software (kurz Loki Games) erhältlich, darunter Rune, Tribes 2, Heavy Metal F.A.K.K. 2, Soldier of Fortune, Unreal Tournament, SimCity 3000 Unlimited oder Heroes of Might and Magic III – auch wenn das Unternehmen vor zehn Jahren Konkurs anmelden musste.

Auch das nach dem Ende von Loki Games gegründete Unternehmen Linux Game Publishing (LGP) hat mit Spielen wie Creatures, Software Tycoon, Postal 2: Share the Pain, Cold War und Sacred einige kommerzielle Spiele für Linux veröffentlicht. Das letzte aus dem Jahr 2009 liegt zwar schon eine Weile zurück; in einem Blogbeitrag im Februar 2012 kündigte der neue CEO Clive Crous allerdings weitere Veröffentlichungen an. Auch Crous betont dabei übrigens die Bedeutung digitaler Vertriebskanäle wie Steam oder Desura und will den digitalen Vertrieb von LGP-Spielen erweitern. Und dank der von id Software im Laufe der Jahre freigegebenen Game-Engines können auch Linux-Anwender sich in Ego-Shootern wie Alien Arena, Nexuiz oder Xonotic verausgaben.

Grafik auf dem neuesten Stand der Technik oder einen neuen Koop-Modus, wie ihn etwa Left 4 Dead 2 bietet, sucht man hier jedoch vergebens. Mit der Unterstützung eines Marktführers wie Valve und der Kooperation von Spiele-Anbietern mit Canonical könnte sich daran tatsächlich etwas ändern.

Valve zumindest scheint es ernst zu meinen mit seinem Linux-Engagement und hat sein Linux-Team mit namhaften Entwicklern aufgestockt. Chef-Entwickler Sam Lantinga, Mitgründer von Loki Games, wurde erst kürzlich angeheuert, um das frischgebackene Linux-Team zu verstärken. Mit dabei ist auch Forest Hale, der Entwickler der Open-Source-Game-Engine Darkplaces, auf der beispielsweise die Open-Source-Shooter Nexuiz und Xonotic basieren. Er war auch verantwortlich für die Quake-Live-Ports zu Mac OS X und Linux. Ein weiteres Mitglied im Valve-Linux-Team soll David White, der Gründer des Open-Source-Strategiespiels Battle for Wesnoth, sein.

Ein Screenshot reichte, um die Gerüchteküche weiter zu schüren.

Wenn sich Spiele so einfach kaufen, herunterladen und installieren lassen wie Apps auf dem Smartphone, dürfte die Bereitschaft zum Kauf weiter steigen. Diese Voraussetzung erfüllt sowohl das Ubuntu Software-Center als auch die Steam-Plattform – jetzt müssen nur noch ein paar weitere Spieleschmieden auf den Linux-Zug aufspringen.

Die Entwickler von Croteam schüren mit der Veröffentlichung eines Screenshots auf ihrer Facebook-Seite jedenfalls schon die Gerüchteküche: Das Bild zeigt das Spiel Serious Sam 3, das auf einem Ubuntu-Desktop läuft. Die Windows- und Mac-Versionen von Serious Sam 3 werden übrigens bereits über Steam vertrieben. (lmd) (lmd)