Tarox: Dunkle Wolken über Lünen

Nach einem sehr guten Jahr 2011 hat sich der Himmel über dem deutschen Hardwarehersteller Tarox plötzlich stark eingetrübt. Die Geschäfte entwickeln sich nicht wie erwartet. Vor allem die Aufträge aus dem Öffentlichen Bereich bleiben aus. Die Stimmung in der Belegschaft ist angespannt. Das Tarox-Management ist gefordert.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber unbekannter Tarox-Mitarbeiter,

Tarox Firmenzentrale in Lünen

(Bild: Tarox)

Sie haben mir in der vergangenen Woche eine E-Mail geschrieben. Sie haben Ihren Namen nicht genannt. Mit Ihrer E-Mail wollten Sie mir aus Ihrer Sicht ein paar Informationen über die aktuelle Lage bei Tarox geben und sich wohl auch ein bisschen den Frust von der Seele schreiben. In Ihrer E-Mail ist von Krisenstimmung die Rede, von Kündigungen, auch davon, dass das „Wohl der Mitarbeiter“ nicht mehr „geschätzt" werde und „man auf einmal nicht mehr gut genug“ sei.

Dass sich die Geschäftslage bei Tarox nach dem hervorragenden Jahr 2011 mit einem Umsatzplus von 27 Prozent in den ersten Monaten dieses Jahres nicht wie gewünscht entwickelte, konnte man hier bei heise resale bereits vor einigen Wochen lesen. Besonders die Monate März und April waren nach Angaben von Vertriebschef Jörg Hasselbach „schlecht gelaufen“. Vor allem die Kunden aus dem Öffentlichen Bereich hielten sich demnach mit Bestellungen zurück. Eine grundlegende Verbesserung der Lage hat sich seitdem offenbar nicht ergeben, im Gegenteil. Auch von anderer Seite aus der Distribution ist zu hören, dass in erster Linie der B2B-Bereich Sorgen bereitet.

Ganz klar: Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, muss eine Unternehmensleitung reagieren. Um diesen Zusammenhang zu verstehen, braucht man nicht BWL studiert zu haben. Dabei gibt es bekanntlich zwei Richtungen. Erstens: Die Geschäfte laufen großartig und entwickeln sich viel besser als erwartet: Dann muss man recht schnell neue Mitarbeiter einstellen, eventuell das Eigenkapital heraufsetzen sowie die Kreditlinien mit den Banken und Lieferanten erhöhen. Das mag zwar auch durchaus Probleme bereiten, macht aber trotzdem Spaß und die Stimmung ist gut, weil man von der Welle des Erfolgs getragen wird.

Die andere Richtung ist die unschöne, die nämlich nach unten. Die Geschäfte verschlechtern sich, Aufträge und Umsätze bleiben aus, Verluste fallen an. Jetzt heißt es vor allem: Kosten runter, und zwar schnell. Eine der Maßnahmen sind in diesem Szenario immer auch Entlassungen von Mitarbeitern, Auslaufen von befristeten Verträgen, (freiwilliger) Gehaltsverzicht und andere Maßnahmen aus dem Repertoire der Personalabteilung. Diese Notwendigkeiten drücken naturgemäß immer auf die Stimmung, und zwar auf die ALLER Beteiligten.

Eine besondere Herausforderung besteht darin, wenn der Absturz plötzlich kommt, unerwartet, ohne Vorankündigung. So wie jetzt offenbar im Fall von Tarox. Dann ist oft auch das Management überfordert, zuweilen hilflos, es reagiert hektisch und wirft Strategien über Bord, die gestern noch als Zukunftsgarant für das Unternehmen präsentiert worden waren. Was in dieser Situation fast immer auf der Strecke bleibt, ist der Dialog mit den Mitarbeitern. Diese verstehen dann oftmals die Welt nicht mehr. Kein Wunder. Denn sie strengen sich schließlich genauso an wie immer. Die gleiche Leistung, für die sie gestern noch gelobt und belohnt worden sind, ist heute nichts mehr wert -– so zumindest ihre Wahrnehmung. „Kann mir das mal einer erklären?“ Auch weil es ihnen an Informationen mangelt, empfinden Mitarbeiter die Entscheidungen und Maßnahmen des Managements häufig als hart, unbarmherzig und ungerecht.

Das Schlimme ist, dass gerade in Krisenzeiten der Zusammenhalt der gesamten Belegschaft besonders wichtig ist. Sonst droht eine Abwärtsspirale, weil sich die schlechte Stimmung sofort auf den Einsatz sowie das Engagement der Mitarbeiter und damit auf die Performance des gesamten Unternehmens auswirkt. Gerade in diesen Situation zeigt sich die Qualität des Managements. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Geschäftsführung ihre Entscheidungen von deren möglicher Auswirkung auf die Stimmung der Belegschaft abhängig machen kann. Wenn Kosten angepasst werden müssen, dann müssen Kosten eben angepasst werden, hilft ja nichts. Auch wenn es weh tut. Aber die Kommunikation hierüber, die Erläuterung der Maßnahmen, ja auch die Einbindung der Mitarbeiter in die Entscheidungsfindung, das sind Themen, die das Management nicht hoch genug einschätzen kann.

Lieber unbekannter Tarox-Mitarbeiter, ich weiß nicht, ob diese Zeilen von mir für Sie irgendwie hilfreich sind. Aber ich wünsche Ihnen und allen Tarox-Mitarbeitern, dass Sie diese schwierige Phase gut überstehen.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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